Gottesdienste nachmittags oder abends statt morgens abhalten, in modernen Räumen mit Lichteffekten und Bands: So sieht eine Idee aus, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gerade auf der Synodentagung in Bonn diskutiert. Was fast nach einer verzweifelten Verjüngungskur klingt, spiegelt ein ernsthaftes Problem der Kirchen in Deutschland wider. In den vergangenen zehn Jahren haben evangelische und katholische Kirche zusammen rund fünf Millionen Mitglieder verloren. Anlass genug mal zu schauen: Wie kann Kirche in einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft aussehen? Kann sie überhaupt funktionieren?

Wir haben euch gefragt: Was müsste die Kirche tun, um wieder attraktiver zu werden? Ihr habt uns anonym per Tellonym geantwortet. Während viele von euch keinen Grund mehr sehen, überhaupt noch in eine religiös geprägte Zukunft zu investieren, könnte für andere die Kirche in ihrer jetzigen Form doch auch einiges ändern. Das hat allerdings nichts mit Lichtshows zu tun. Stichworte: mehr Nächstenliebe, mehr Toleranz, mehr Menschlichkeit.

Was die Kirche attraktiver machen könnte:

"Weniger Glaube, mehr gesellschaftliches Miteinander."

"Mit der Zeit gehen. Das ist vermutlich die nichtssagendste Aussage die man treffen kann, aber sie ist trotzdem die Antwort. Das fängt an bei fehlenden Jugendangeboten der Kirche außerhalb der Messdiener und geht weiter zur meist sehr traditionellen Messe. Traditionen sind super und sollten bewahrt werden, aber eine modernere Gestaltung der Messe mit Bezug zu aktuellen Themen würde vermutlich mehr Leute anlocken. Generell müsste die Kirche bei bestimmten Themen von der wörtlichen Auslegung der Bibel zurückgehen und sich mehr auf den Kern (,Liebe deinen Nächsten') zurückkehren."

"Pro Monat günstiger als Netflix sein."

Die katholische Kirche müsste Frauen die Priesterweihe erlauben, um für mich wieder attraktiver zu werden. Wenn eine Institution heute noch glaubt, Frauen seien weniger wert, dann ist sie einfach zurückgeblieben."

"Pädophile juristisch verfolgen, anstatt sie zu schützen. Menschen, egal aus welcher Minderheit, akzeptieren und tolerieren. Und sich aus der Politik heraushalten (hat wer Kirchensteuer gesagt?)."

"Ehrlichkeit im Umgang mit den Gläubigen! Transparenz in Bezug auf kirchliche Vermögen, besserer Umgang mit geschiedenen Menschen, homosexuellen und Patchwork-Familien, Abschied vom kirchlichen Arbeitsrecht. Ich brauche keine Lichteffekte, Popmusik oder Party in der Kirche. Ich brauche eine Kirche, die ehrlich und im 21. Jahrhundert angekommen ist."

"Weniger aufdringlich sein."

"Unter anderem: Gottesdienste nicht zu nachtschlafender Zeit (vor elf) beginnen, Themen behandeln, die die Menschen heute berühren, Musik und Texte modernisieren, altertümliche Sprache und Kleidung ablegen, die auf Jugendliche wie Kostüme wirken, Realität nicht ausblenden (Klimawandel, Lebensmodelle, Wissenschaft). Im Großen und Ganzen: sehr, sehr viel."

"Es wäre schön, wenn Gottesdienste nicht stets so steif und förmlich wären. Als Vorbild könnte man die Gospelchöre der USA und deren enthusiastische Gottdienste nehmen."

"Kirche ist dann attraktiv, wenn sie wieder zu ihren Wurzeln zurückkehrt. Solange Kirche nicht mehr aneckt und ein Kontra zu gesellschaftlichen Positionen anbietet, sondern im gesellschaftlichen Mainstream schwimmt, wird sie nicht attraktiv sein. Damit wird sie beliebig und damit natürlich auch überflüssig."

"Menschlich kompetente Seelsorger ausbilden, an die sich die Menschen wenden können, ohne mit Bibelzitaten bombardiert zu werden."

Sich von der klassischen Glaubenslehre distanzieren und den Glauben wieder philosophischer auslegen."

"Toleranter sein. Wird sind als Generation viel weltlicher als die Kirche es ist. Ich studiere Lehramt für evangelische Theologie und bin auch gläubig. Ich unterstütze jedoch das Instrument Kirche nicht aus den angeführten Gründen. Zum Beispiel bin ich auch angehalten kirchlich zu heiraten und keine unehelichen Kinder zu haben. Das kann die Kirche insofern vorschreiben, weil sie als mein Arbeitgeber fungiert. Ich würde mir in der Hinsicht und auch für meine anderen Mitmenschen eine größere Akzeptanz und Toleranz wünschen. Die Welt kann man auch zum Besseren wenden und nicht auf Jahrhunderte alte Schriften stützen!"

"Sie sollte die Kirchensteuer abschaffen, beziehungsweise von seinen Mitgliedern keine Kirchensteuer mehr verlangen. Wer sich freiwillig zu einer Kirche bekennt, kann auch freiwillig einen Beitrag leisten. Diese Art von Zwang hingegen ist abzulehnen."

"Angebote für junge Menschen gestalten, die keine Kinder haben und die wirklich nur für Leute von Mitte zwanzig bis Mitte dreißig sind. In dem Altersbereich gibt es sonst immer nur Angebote für junge Familien oder Mütter. Ziemlich diskriminierend."

Nichts mehr zu machen:

"Ich glaube, es gibt kaum eine Möglichkeit für die Kirche, attraktiver zu werden. Religion beziehungsweise der Glaube wird meist durch das Elternhaus weitergegeben. Da immer weniger Menschen gläubig sind und Religion somit auch nicht ihren Kindern vermitteln, stirbt die Kirche langsam aus."

"Ich glaube nicht, dass es da etwas gibt. Man muss nicht in die Kirche, um zu glauben!"

"Die Kirche leistet viel im karitativen Bereich, ansonsten ist sie aus unserer säkularisierten Welt gut wegzudenken."

"Irgendwie klingt das komisch, die Kirche müsste attraktiver werden. Das ist so blöd wie ,Die Bundeswehr muss attraktiver werden'. Nein, müssen beide nicht. Entweder man ist aus Überzeugung dabei oder lässt es sein. Religion und Werte kriegt man meist aus der Kindheit/Erziehung mitgegeben, sind aber nichts, mit dem man Massen anziehen muss. Ich dachte, es ginge bei der Kirche und dem Glauben um eine Lebenseinstellung zu sich und Anderen und nicht um ,Wir müssen mehr junge Leute locken!'"

"Ich bin mir nicht sicher, ob man heutzutage überhaupt noch so was wie Kirche mit einem Gott braucht. Mitgefühl und Spiritualität kann man auch so empfinden. "

"Sie sollte endlich aussterben."

"Die Frage sollte lauten, welchen Stellenwert Kirche unter aufgeklärten, logisch denkenden Menschen heute noch hat."

Religionen ist für viele der heutigen Probleme verantwortlich. Warum sollte sich also ein junger, aufgeklärter Mensch sich so was antun?"

"Die Kirche kann eine Institution sein, auf die man bei Interesse zugeht. Das Interesse kann meiner Meinung nach kaum gesteigert werden, weil die Lehren, worauf sie basiert, einfach zu alt und weltfremd sind. Humanitär sein kann man auch ohne Kirche. Glauben – auch an (einen) Gott – kann man ohne Kirche. Wozu brauchen wir sie überhaupt? Braucht sie jemand? Ich denke, die Kirche ist umso glaubwürdiger, desto weniger sie um Anerkennung buhlt. Bescheidenheit und Tatkräftigkeit könnten ihr helfen."