Frexit

Marine Le Pen will die französischen Bürger*innen ein halbes Jahr nach der Wahl in einem Referendum über den Frexit abstimmen lassen, den Austritt Frankreichs aus der EU. Diese Forderung steht in ihrem Wahlprogramm an erster Stelle. Zunächst will sie mit Brüssel verhandeln und dadurch vier Souveränitätsrechte zurückbekommen: über Grenzen, Gesetzgebung, Geldpolitik sowie Haushalts- und Wirtschaftspolitik will sie künftig wieder allein entscheiden. Ist sie mit dem Ergebnis zufrieden, will sie beim Referendum für einen Verbleib in der EU werben, andernfalls für einen Austritt. Die Entscheidung für einen Frexit könnte den Zerfall der EU einleiten, immerhin war Frankreich Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aus der dann die EU wurde.

Tschüss, Euro und Nato

Marine Le Pen will eine nationale Währung einführen. Eine europäische Gemeinschaftswährung soll aber beispielsweise für die Geschäfte großer Unternehmen möglich bleiben. Ist Le Pen Präsidentin, soll Frankreich außerdem raus aus der Nato und sich alleine um seine Verteidigung kümmern.

Näher an Russland rücken

Der FN pflegt gute Kontakte zum Kreml. Le Pen und ihre Parteifreunde besuchen seit 2012 mehrmals im Jahr Moskau und die Krim und werden dort von ranghohen Politiker*innen empfangen. 2014 bekam der FN im EU-Wahlkampf 2014 über Russland einen Millionenkredit, als französische Banken sich weigerten, einen Kredit zu gewähren. Dass sie Putin bewundert, hat Le Pen schon oft verkündet und sie spricht sich für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland aus.

La France d'abord, Frankreich zuerst

In Analogie zu Trumps America first setzt Le Pen auf nationale Priorität, sie soll in der Verfassung verankert werden. La France d'abord ist zwar nicht ihr offizieller Wahlkampfslogan – sondern "im Namen des Volkes", aber Franzosen sollen bei Jobs, Sozialwohnungen und in vielen anderen Bereichen favorisiert werden. Wörtlich priorisiert; Le Pen hat ihr Vokabular im Programm im Unterschied zu vorherigen Aussagen abgemildert.

Damit das gelingt, stehen erst einmal umfangreiche Verfassungsänderungen auf dem Plan. Französische Unternehmen sollen bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden, das soll zusammen mit Wirtschaftspatriotismus der kriselnden Wirtschaft zu neuem Aufschwung verhelfen.

Le Pen will eine Steuer auf Arbeitsverträge für Migrant*innen und eine Sonderabgabe von drei Prozent auf Importe. Von diesem Geld soll eine Prämie für Geringverdiener*innen und Rentner*innen finanziert werden – beides sind wichtige Zielgruppen des Front National. Marine Le Pen fordert die Rente mit 60 für Menschen, die mehr als 40 Jahre gearbeitet haben. Die 35-Stunden-Woche soll bestehen bleiben.

Das Ende der deutsch-französischen Freundschaft

Es ist keine klare Forderung von Marine Le Pen, sie verschweigt es bewusst – ihre Pläne laufen aber genau darauf hinaus. "Ob es Frau Merkel, Herr Schulz und die anderen Kommissare wollen oder nicht: Wir bauen ein anderes Europa", sagte Marine Le Pen am 23. Februar bei ihrer ersten ausführlichen außenpolitischen Rede vor Botschaftsvertretern in Paris.

Merkels Geflüchteten- und Wirtschaftspolitik hielt sie schon lange für falsch und mit ihrer Kritik an Merkel nicht hinter dem Berg. Weil die Deutschen "billige Arbeitssklaven" bräuchten und selbst zu wenige Kinder gezeugt hätten, werde nun ganz Europa von Fremden überschwemmt, schimpfte schon im Herbst 2015 Le Pens Vize und Vertrauter Florian Philippot. Ihr Programm sieht vor, mit allen bisherigen Bündnispartner*innen zu brechen. Im Anschluss an Le Pens außenpolitische Rede, stellte FN-Generalsekretär Nicolas Bay klar: "Wenn wir von der EU sprechen, meinen wir damit auch Deutschland."

Homo-Ehe abschaffen

Seit Mai 2013 dürfen Homosexuelle in Frankreich heiraten. Marine Le Pen will das ändern. Bestehende Ehen werden nicht rückwirkend aufgelöst, aber künftig wird keine Ehe mehr, sondern nur noch eine zivile Partnerschaft (PACS) möglich sein. Auch die Familienplanung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird eingeschränkt. Regenbogenfamilien wird der Zugang zur Reproduktionsmedizin erschwert.

Migrant*innen raus

Der Kampf gegen Einwanderung ist schon lange ein erklärtes Ziel des FN. Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen stand noch für primitiven Antisemitismus, Marine Le Pen ließ ihn kurzerhand aus der Partei werfen, um die Partei in die Mitte zu rücken. Marine Le Pens Ausländerfeindlichkeit verkleidet sie geschickt in Patriotismus und hat damit bislang einige Wähler*innen überzeugt. Sie nutzt jede Gelegenheit, um mit plumpen Parolen gegen Muslim*innen zu wettern. Ist sie Präsidentin soll das Migrationssaldo, also Einwandernden minus Auswandernde, von derzeit etwa 40.000 pro Jahr auf 10.000 gesenkt werden. Migrant*innen ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen leichter abgeschoben werden und das französische Staatsbürgerrecht soll restriktiver werden.

Ja zur Atomkraft

Marine Le Pen will die Atomkraft beibehalten, das Werk in Fessenheim bleibt bestehen. Die Atomkraftwerke sollen modernisiert werden.

Mehr Polizisten, null Toleranz im Strafrecht

Der sicherheitspolitische Kurs des FN ist traditionell stramm. Le Pen will 15.000 neue Polizist*innen einstellen und die Banlieues, die städtischen Randbezirke, entwaffnen. Nach dem Motto "null Toleranz" soll das Strafrecht verschärft werden. 40.000 neue Plätze sollen in Gefängnissen geschaffen werden. Auch Militär und Justiz sollen aufgestockt werden. Der Wehrdienst soll für mindestens drei Monate Pflicht sein. Im Kampf gegen den Islamismus sollen Moscheen mit radikalen Predigern geschlossen und mutmaßliche ausländische Gefährder*innen abgeschoben werden.

Hintertür für die Todesstrafe

Direkt nach dem Terroranschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar 2015 forderte Marine Le Pen die Wiedereinführung der Todesstrafe. 1981 war die Strafe in Frankreich abgeschafft worden. Die Wiedereinführung hat Le Pen zwar als Forderung aus ihrem Programm gestrichen, stattdessen sieht sie bei besonders schweren Straftaten lebenslange Gefängnisstrafen ohne Aussicht auf Haftentlassung vor. Eine Hintertür lässt sie aber offen: Sie will Volksinitiativen einführen – und regt an, dass ihre Landsleute auf diesem Weg eine Rückkehr zur Todesstrafe beschließen könnten.

In der Stichwahl besteht die Möglichkeit, dass es zum Front républicain kommt – dem Bündnis linker und rechter Anhänger*innen, um einen Sieg des Front National zu verhindern. So war es 2002: Jean-Marie Le Pen war überraschend in die Endrunde gekommen, sein Gegner Jacques Chirac erhielt dann aber in der entscheidenden Stichwahl mehr als 82 Prozent der Stimmen. Ob Marine Le Pen die Stichwahl für sich entscheiden kann, ist noch unklar. Doch nach dem Sieg von Donald Trump und dem Brexit scheint auch das nicht mehr unmöglich.