Egal, ob das Baby gewollt oder unabsichtlich gezeugt wurde, die Geburt vaginal oder per Kaiserschnitt erfolgt, welches Geschlecht das Baby hat oder in welchen Gesundheitszustand es sich befindet – die Geburt eines Menschen gehört zu den wertvollsten Erlebnissen des Lebens, an das sich Eltern wohl für immer erinnern.

Manchmal treffen Eltern die sehr persönliche Entscheidung, die Geburt ihres Kindern zu dokumentieren. Sie stellen Fotograf*innen ein, die jeden Schritt der Geburt ablichten: den Geburtsvorgang selbst, die Umgebung, die Eltern samt allen Anwesenden, die Reinigung und den Prozess danach. Die Fotograf*innen fotografieren schmerzverzerrte Grimassen genauso wie intime Körperstellen und glückliche Gesichter. Geburtsfotografie ist ein hochspezialisierter Bereich, bei dem Fachleute mithilfe von Fotos die Geschichte einer Geburt erzählen. Diese kann brutal und blutig sein, sie kann aber auch ästhetisch anspruchsvoll und artistisch wirken.

Einmal im Jahr zeichnet die International Association of Professional Birth Photographers (IAPBP) die besten Geburtsfotos aus. Teilnehmende Fotograf*innen können ihren Beitrag in fünf Kategorien einreichen. Den Gesamtwettbewerb hat dieses Jahr Jessica Vink aus den Niederlanden gewonnen. Ihr Bild zeigt eine Frau wenige Momente nach der Geburt ihres Kindes, das auf ihrer Brust liegt. Beide haben die Augen geschlossen, beide sind nackt, und beide scheinen nach extremen Anstrengungen endlich erleichtert.

"Ich bin die einzige Person, die nicht weiß, wie die Geburt aussieht"

Betrachter*innen des Fotos könnten meinen, das Foto zeige die Momente nach einer Hausgeburt auf der Couch. Tatsächlich ist das Baby auf dem Foto eine Wassergeburt, geboren in einem Geburtsbecken im Wohnzimmer der Eltern. Erst nachdem die Mutter aus dem Becken kam, legte sie sich auf die Couch. Auch der entspannte Gesichtsausdruck der Mutter ist ein Trugbild. Sie hatte zum Zeitpunkt des Fotos sehr starke Nachwehen. Trotz der Schmerzen wirkt das Bild ruhig und friedvoll. Für ein erstes Foto hatte Jessica Vink noch zusätzlich die Plazenta auf der Mutter positioniert, daher das viele Blut. "Ich liebe den Blick auf ihrem Gesicht, die Schachtel im Hintergrund, die warmen Socken, die bereit zum Anziehen sind. Ich liebe die Früchte, das Wasser, den Tee und die Tafel Schokolade. Ich liebe das Blut, das heruntertropft, das fast organisierte Chaos", sagt Vink über ihr Foto.

Die Kindsmutter war anfangs nicht mit der Veröffentlichung des Bildes einverstanden. Sie habe sich mit dem Wissen unwohl gefühlt, dass ihre Freund*innen und die ihres Freundes sie nackt sehen würden. Erst Monate später änderte sie ihre Meinung: Sie gab Vink die Erlaubnis, das Foto öffentlich zu teilen und holte sich oben drauf noch das Versprechen ein, damit bei einem Geburtsfotowettbewerb teilzunehmen. "Und das tat sie dann auch ... und sie hat gewonnen! Nun liege ich also hier, in all meiner Verletzlichkeit nach der Geburt, nackt, im World Wide Web. Und ich könnte nicht stolzer sein", sagt sie Mutter.

Das Baby auf dem Foto ist bereits ihr zweites Kind. "Die Geburt eines Menschen ist meines Erachtens der verletzlichste Moment im Leben einer Frau", sagt sie. "Man ist nackt und völlig offen, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. In diesem Moment kann alles, was mit dir und um dich herum geschieht, eine tiefe Wirkung haben", sagt sie. Das sei auch der Grund gewesen, warum sie ihre zweite Geburtsgeschichte dokumentieren wollte. "Als Frau, die in den Wehen liegt, bin ich die einzige Person, die nicht sieht, wie die Geburt aussieht. Und jetzt sehe ich es. Jetzt kann ich auch sehen, wie verletzlich man ist ist. Wie all diese rohen Emotionen aussehen."

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