Ach, Homeoffice – himmlische Oase des ungestörten Arbeitens, Schlaraffenland der Schluffigkeit und gleichzeitige Hochburg der Konzentration und Produktivität! Niemand, mit dem*der du dich passiv-aggressiv über das richtige Raumklima streitest, Dinge im eigenen Tempo wegschaffen, Videokonferenzen, bei denen du untenrum die Jogginghose anbehältst – ein Traum. Oder?

Eine Untersuchung der AOK hat unlängst gezeigt: Etwa 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten regelmäßig woanders als im Unternehmen, die Hälfte davon von zu Hause aus. Was sie noch gezeigt hat: Neben vielen Vorteilen hat das Arbeiten im Homeoffice auch einige echte Nachteile.

Schlaflos im Homeoffice

Im Rahmen des Fehlzeitenreports hat die AOK im Frühjahr 2019 rund 2.000 Beschäftigte zwischen 16 und 65 Jahren unter anderem zum Thema Homeoffice befragt. Demnach freuen sich die Angestellten im Homeoffice vor allem darüber, dass sie sich ihre Aufgaben selbstständig einteilen können und mehr Entscheidungsfreiheit haben. Sie sind insgesamt zufriedener – 73,7 Prozent sagen, sie seien konzentrierter, und zwei Drittel schaffen zu Hause mehr.

Gleichzeitig stellte sich dem Report zufolge jedoch heraus, dass sich 73,4 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice erschöpft fühlen; bei ihren Kolleg*innen, die ausschließlich im Büro arbeiten, sind es 66 Prozent. Angestellte im Homeoffice sind öfter wütend, nervöser und reizbarer; dazu kommen Lustlosigkeit, Konzentrationsprobleme und Schlafstörungen.

Davon abgesehen, dass beides alarmierend hohe Zahlen sind, wirft das natürlich die Frage auf: Wie kann das angehen – einerseits produktiver und zufriedener, andererseits genervter und erschöpfter?

Das sind die Gründe

Der Segen des Arbeitens im Homeoffice ist auch gleichzeitig sein Fluch. Sich die Arbeit selbst einzuteilen, zwischendurch zum Beispiel kurz mal was erledigen und dann später weiterarbeiten zu können, führt oft dazu, dass die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben nicht mehr ausreicht; laut der Befragung arbeitet jede*r Dritte im Homeoffice häufig abends oder am Wochenende.

Verstärkt wird das noch durch berufliche Anrufe und E-Mails außerhalb der Arbeitszeiten. Klar, wer im Homeoffice arbeitet, tut sich schwer damit, eine Out-of-Office-Abwesenheitsnotiz einzurichten oder das Job-Telefon auszuschalten. Das Zuhause ist schließlich das Büro und umgekehrt; man ist quasi nie out of office.

Folge: Erholungsphasen werden kürzer und weniger, Feierabend wird ein eher schwammiger Begriff und abschalten wird schwerer. Und ZACK! Schlaflos im Homeoffice.

Außerdem ein Riesenproblem bei der Heimarbeit: die Kommunikation mit Kolleg*innen und Vorgesetzten. "Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist leider häufig eine Nebenerscheinung von Homeoffice", sagt die Berliner Karriereberaterin Petra Barsch. "Wer nicht da ist, wird schlecht informiert. Über Nebenabsprachen und Klatsch erfährt er oder sie meist nichts mehr, fühlt sich ausgeschlossen. Rückmeldungen zur Arbeit werden seltener – zumindest positive. Daher läuft auch immer die Angst mit, Fehler gemacht zu haben."

Doch all das muss nicht heißen, dass du komplett auf Heimarbeit verzichten solltest. Es gibt da durchaus ein paar Dinge, die die ganze Sache wesentlich leichter und angenehmer machen.

Das sind die Lösungen

Ob dir die Arbeit im Homeoffice überhaupt grundsätzlich liegt oder auch nicht so sehr, ist teilweise eine Frage der Persönlichkeit.

"Menschen, die den Austausch brauchen, sollten sich genau überlegen, ob und wie oft sie Homeoffice nutzen", sagt Petra Barsch. Andere hingegen profitieren sehr vom Alleinsein: "Es gibt Menschen, die Homeoffice bevorzugen, um nicht ins Unternehmen zu den Kollegen oder Vorgesetzten zu müssen. Sie reduzieren den Kontakt gern auf ein Mindestmaß."

Außerdem hängt gutes Arbeiten im Homeoffice mit Eigenschaften und Fähigkeiten wie Disziplin, Zeitmanagement, Konzentration, Abgrenzung zusammen. "Wenn der Bürotag zu Hause beendet ist, keine E-Mails mehr sichten oder beantworten. Feierabend ist Feierabend", rät Petra Barsch. Das ist wichtig, um sich nicht aufzureiben.

Es gibt einfach Menschen, denen diese Dinge schwerer oder leichter fallen als anderen. Das ist okay, es sollte bloß unbedingt bei der Planung berücksichtigt werden.

Was darüber hinaus entscheidend ist: ein durchorganisierter Tagesablauf mit strikter zeitlicher und räumlicher Trennung.

Also nicht irgendwann im Bett arbeiten, zwischendurch Wäsche machen, beim Arbeiten essen und umgekehrt. Sondern Arbeits- und Pausen- bzw. Privatzeit klar abgrenzen. Zum Beispiel um sieben aufstehen, duschen, frühstücken und dann um acht an einen dafür auserkorenen, ruhigen Arbeitsplatz gehen, Mittagszeit und Feierabend festlegen und einhalten. "Manchen hilft es, sich morgens anzuziehen, einmal um den Block zu laufen, um dann zurückzukommen und an die Arbeit zu gehen", sagt Petra Barsch.

Während dieser festgelegten Arbeitszeit dann regelmäßig Kontakt zu Kolleg*innen und Vorgesetzten zu halten, ist ebenfalls wichtig – beispielsweise per Video, WhatsApp oder Slack.

Aber auch Unternehmen und Vorgesetzte können was tun, um die Arbeit im Homeoffice für ihre Beschäftigten gut zu gestalten. "Technische Ausstattung auf hohem Niveau, Kontakt halten, feste Sprechzeiten oder Präsenztermine. Und regelmäßige Infos über das rein Aufgabenbezogene hinaus", sagt Petra Barsch.

Ideal: zwei Tage Homeoffice pro Woche

Grundsätzlich ist dauerhaftes Arbeiten von zu Hause aus durchaus eine Herausforderung. Zeitweises Homeoffice kann jedoch sowohl fürs Unternehmen als auch für die Angestellten eine großartige Sache sein.

"Gut bewährt haben sich maximal zwei Tage Homeoffice pro Woche. Es gibt sicher Ausnahmen, die fünf Tage gut von zu Hause arbeiten können. Doch allgemein ist der Austausch im Arbeitsprozess ein wichtiger Faktor – Feedback, gemeinsam an Lösungen arbeiten … Vieles ist heute zu komplex, um es allein im stillen Kämmerlein bewältigen zu können", sagt die Karriereberaterin.

Wer also im Homeoffice für sich selbst und andere Grenzen zieht, gut kommuniziert, Regeln aufstellt und auch einhält, wird die Nachteile los und behält die Vorteile. Mehr schaffen, zufriedener sein – win-win, wie es so schön heißt.