Mit 22 Jahren konnte Isabelle Lubig in ihrem Lebenslauf schon auf drei Abschlüsse verweisen: Sie ist Bäckermeisterin, hatte also erst die Gesellen- und dann die Meisterprüfung im Handwerk abgelegt. Außerdem hat sie einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre.

Für ihre drei Abschlüsse braucht man normalerweise acht Jahre oder länger. Isabelle hat ihre Ausbildung in der Hälfte der Zeit gemeistert. Denn die heute 24-Jährige ist Absolventin des trialen Studiengangs Handwerksmanagement. Zusammen mit 17 Kommilitonen war Isabelle der erste Jahrgang, der die Dreifach-Ausbildung an der privaten Hochschule des Mittelstands in Köln absolviert hat.

Pauken statt Party

"Die härteste Phase war für mich gleich der Studienbeginn. Dadurch, dass ich als Bäckerin nachts arbeiten musste, war die Umstellung von der Abiturzeit schon ziemlich stark", erinnert sich Isabelle. Das triale Studium beginnt mit der Ausbildung zum Gesellen im jeweiligen Handwerk, die Studierenden müssen für die Bewerbung einen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben.

Für die angehende Bäckerin hieß es: früh aufstehen und das Handwerk in der Backstube lernen. Dafür klingelte ihr Wecker unter der Woche jeweils um Mitternacht. Freitagabend und Samstag stand für die trialen Studierenden das BWL-Studium an der Hochschule an: "Das heißt, freitags habe ich nachts gearbeitet, habe mich nach der Arbeit zwei, drei Stunden hingelegt, bin wieder aufgestanden und dann zur Uni gefahren." Während ihre Freunde aus der Schulzeit feierten, ging Isabelle schon um 21 Uhr ins Bett.

Regulär dauert die Gesellenausbildung im Handwerk drei Jahre, die trialen Studierenden können mit ihrem Abitur aber direkt im zweiten Lehrjahr starten. Weil Isabelles Noten gut waren, konnte sie ihren Bäckergesellen sogar nach anderthalb Jahren abschließen. Darauf folgte ein Jahr Vollzeitstudium, bevor die Doppelbelastung weiterging. Wochentags arbeitete Isabel für die Meisterprüfung im Handwerk, am Wochenende für den Bachelorabschluss in BWL. "Da muss man sich schon durchbeißen und einfach sein eigener Motivator sein", urteilt Isabelle.

20 Prozent brechen ab

Michael Brücken von der Handwerkskammer Köln hat 2009 zusammen mit der Hochschule des Mittelstands diesen Studiengang entwickelt. Er weiß, dass das Pensum der trialen Studenten keine leichte Kost ist: "Wer das triale Studium absolviert hat, weiß danach, was Arbeit ist. Unsere Teilnehmer sind immer in der Doppelbelastung, sodass da durchaus eine gewisse Portion von Fleiß, Ehrgeiz und auch Durchhaltevermögen notwendig ist." Nichtsdestotrotz liegt die Abbrecherquote im Studiengang laut Brücken aktuell bei 20 Prozent. Der Wert liegt im Bereich der durchschnittlichen Abbrecherzahlen über alle Fächergruppen und Hochschulformen, im regulären Bachelorstudium bricht jeder dritte Uni- und jeder vierte FH-Studierende ab.

Wer das triale Studium beginnt, muss nicht nur belastbar sein, sondern braucht auch eine Motivation. "Wir suchen Leute, die bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und eine genaue Perspektive haben, wo sie mal in zehn Jahren sitzen möchten", beschreibt Michael Brücken die Anforderungen. Mehr junge, motivierte Menschen kann das Handwerk gut gebrauchen. Die Branche hat ein Nachwuchsproblem, Firmenchefs finden nur schwer geeignete und interessierte Nachfolger für ihre Unternehmen. Zwar gibt es heute mehr Abiturienten, sie entscheiden sich aber häufig eher für eine Universität und gegen eine Ausbildung im Handwerk. Der triale Studiengang ist deswegen auch ein Versuch, ehrgeizigen Abiturienten sowohl einen Hochschulabschluss zu bieten – und sie zeitgleich für die Handwerksbetriebe zu gewinnen.

Mittlerweile bietet die private Hochschule des Mittelstands den Studiengang auch in Hannover und Schwerin an. Für die Dreifachausbildung fallen Studiengebühren von rund 20.000 Euro an, also gut 400 Euro pro Monat. Auch die staatliche Hochschule Niederrhein bietet seit 2015 einen trialen Studiengang Handwerksmanagement über fünf Jahre an. Neben dem Semesterbeitrag müssen die Studierenden dort allerdings noch die gut 9.000 Euro Prüfungsgebühren für den Meisterbrief zahlen, zudem fallen Kosten fürs Lehrmaterial an.

"Ich würde es wieder machen"

Isabelle hatte eine genaue Perspektive, als sie nach dem Abitur das triale Studium aufnahm. "Meine Motivation war ursprünglich, dass wir ein Familienunternehmen hatten. Mein Ur-Opa war in der Bäckereibranche, mein Opa auch, mein Vater ist Bäckermeister. Ich wäre quasi die nächste Generation gewesen." Mittlerweile hat sich die Karriereplanung jedoch geändert, ihre Familie hat das Unternehmen verkauft. Isabelle arbeitet jetzt als Trainee im Produktmanagement eines großen Backwarenunternehmens, ihren Chef hat das triale Studium überzeugt.

Die 24-Jährige glaubt, dass ihre Ausbildung durchaus Vorteile gegenüber einem regulären BWL-Studium hat: "Ich würde es wieder machen. Man weiß vieles zu wertschätzen, wenn man im Handwerk angepackt hat und nicht nur das Büro kennt." Außerdem helfe ihr das praktische Wissen, selbst wenn sie nicht mehr in der Backstube steht. Außerdem kann sich Isabelle nach ihrer Ausbildung sicher sein, dass ein langer und stressiger Arbeitstag sie nicht so schnell aus der Ruhe bringen kann - egal in welchem Unternehmen.