Es ist abwechselnd heiß und kalt. Viel zu eng. Ein Fahrradlenker bohrt sich in deine Hüfte auf der einen Seite hinein, der Rucksack deines Gegenübers auf der anderen Seite. Ein Kind schreit. Menschen unterhalten sich laut und bei jedem Halt will jemand, die*der ganz weit hinten steht, aussteigen. Bahn-, Bus- oder Tramfahren nervt manchmal einfach wahnsinnig. Wer nach einem anstrengenden Tag im hoffnungslos überfüllten Waggon steht, dem*der können die Mitmenschen nur mehr auf die Nerven gehen.

Manchmal jedoch kommt es im Chaos und der Reizüberflutung zu Momenten der Zwischenmenschlichkeit. Menschen zeigen sich solidarisch, interessieren sich füreinander oder lachen miteinander. Wir haben euch nach den schönsten Erlebnissen in öffentlichen Verkehrsmitteln gefragt. Ihr habt uns schöne, berührende und lustige Geschichten anonym geschickt. Diese Geschichten zeigen, dass es zwischen all den nervtötenden Situationen auch tolle Erlebnisse gibt. Eure Geschichten geben den Glauben an die Menschheit ein bisschen zurück.

Gemeinsames Filmschauen im Zug

"Ich bin nach Berlin gefahren, der Zug war enorm voll, aber ich hatte einen Sitzplatz. Ich hatte gerade den Film Cloud Atlas gestartet, meine In-Ear-Kopfhörer in mein Ohr gesteckt, da fragt mich meine Sitznachbarin, ob sie mitschauen darf. Ich startete den Film neu, gab ihr einen meiner Kopfhörer und wir schauten stillschweigend zusammen einen drei Stunden andauernden Film. Die Zeit verging wie im Fluge und es hat sich angefühlt, als würde ich mit einer guten Freundin einen Film gucken. Als der Film zu Ende war, haben wir uns kurz darüber ausgetauscht, mussten dann aber beide aussteigen."

'Euch allen ein wunderschönes neues Jahr! Lasst es euch gut gehen!'

"Silvester, Hamburg, in der U-Bahn. Heißt, morgens um vier Uhr waren noch so viele Menschen unterwegs, wie sonst nur samstags zum Schlussverkauf. Zwischen kichernden Mädchen, halbstarken Jungs und schlafenden Männern stieg eine Frau ein. Sie sah sehr gepflegt aus, mit schickem Mantel und Mütze. Ich dachte, sie wäre bestimmt etwas pikiert angesichts der vielen angetrunkenen Mitfahrer. Mit einem heiteren Schwips rief sie plötzlich unerwartet laut: 'Euch allen ein wunderschönes neues Jahr! Lasst es euch gut gehen!' Dabei lachte sie so lustig, dass binnen Sekunden der ganze U-Bahn-Wagen miteinstimmte und für die nächsten drei Stationen eine tolle Stimmung herrschte."

Nun ja, und da stand er vor mir

"Als ich von einer Uni-Party nach Hause fuhr, musste ich leider in den total überfüllten Nachtbus einsteigen. Wenn ich überfüllt sage, dann meine ich, dass ich derart eingequetscht war, dass ich immerhin nicht mehr umfallen konnte. Nun ja, und da stand er vor mir. Ich habe einfach angefangen, mit den Leuten vor mir zu quatschen und er war mir von Anfang an sympathisch. Am Hauptbahnhof angekommen, konnten wir endlich alle aussteigen und wieder Luft bekommen. Da ich mich leider beeilen musste, um meinen Zug zu bekommen, haben wir keine Nummern ausgetauscht. Ich habe ihn wenig später durch Spotted wiedergefunden. In dieser Nacht fiel auch der erste Schnee, was das Erlebnis einfach nur noch noch schöner machte."

Junikäfer? "Wo? Ahhh!"

"Eines warmen Sommertages saß ich in der U-Bahn in Frankfurt am Main. Mal wieder starrte jeder wortlos auf sein Smartphone, obwohl man so nah beieinander saß. Mit Fremden zu sprechen, ist irgendwie verpönt in unserem Land. Wer andere anquatscht, erntet verwirrte Blicke, Frauen ziehen ihre Handtaschen näher ran und Männer glauben an den Flirt des Tages. Doch an diesem Sommertag wurde diese seltsame Stille durchbrochen. Ein Junikäfer hatte sich in die Bahn verirrt und schwirrte umher. Aufgeschreckt vom lauten, großen Käfer sprang ein Mann auf, andere ebenfalls. Plötzlich redete man miteinander: 'Achtung, da ist er' oder 'Sie da vorne, Sie haben einen Käfer auf ihrem Rücken.' 'Wo? Ahhh!' 'Oh mein Gott, der ist ja riesig.' 'Ja, das ist deren Jahreszeit.' 'Wie laut die sind!' 'Achtung, Achtung, jetzt ist er wieder bei ihnen.' Nach drei, vier Stationen war der Käfer weitergeflogen in der Bahn. Das Gesprächsthema war weg. Trotzdem lachte man noch ein Weilchen, bis die letzte Person ausstieg, die den Käfer gesehen hatte. Ich dachte: Es braucht Tiere, um die Menschen zum Sprechen zu bringen."

Mit Fremden zu sprechen, ist irgendwie verpönt in unserem Land. Wer andere anquatscht, erntet verwirrte Blicke, Frauen ziehen ihre Handtaschen näher ran und Männer glauben an den Flirt des Tages.

Eine Griechin, eine Ägypterin, ein Palästinenser, eine Soziologie-Studentin und ich

"Letzten Sommer funktionierten nur wenige Türen einer Regionalbahn. Wir standen schwitzend, dicht gedrängt, Luft zufächernd aneinander. Dabei entwickelte sich ein großartiges Gespräch über Integration, Heimatgefühl und Religion zwischen einer alten Griechin, die eine Schildkröte in einem Karton bei sich trug, einer jungen Ägypterin, einem Palästinenser, einer deutschen Soziologie-Studentin und mir, einer Religionslehrerin. Diese 30 Minuten Bahnfahrt waren auf die Rahmenbedingungen bezogen so furchtbar, gleichzeitig der Gedankenaustausch so wertvoll. Am Ende haben wir uns gewundert, wie tief ein Bahngespräch werden kann, wenn man zur Nähe gezwungen ist. Ich habe die Bahn ganz beschwingt verlassen."

Wenn der Humor siegt

"Kölner U-Bahn, Feierabendverkehr freitags zwei Wochen vor Weihnachten: Es war brechend voll, die Leute haben sich gestapelt, kurz vor dem Rudolfplatz sagt ein Mann mit Fahrrad, der in einer Ecke stand, laut: 'Es tut mir echt leid, aber ich muss die nächste Station raus.' Der ganze Wagen bricht in Gelächter aus."

Dank Überbuchung neue Bekanntschaften



"In einer Regionalbahn auf dem Rückweg einer Chorreise aus Polen waren unsere Sitzplätze doppelt gebucht. Zu dritt saß ich mit einer älteren englischen Freundin und einer polnischen jungen Clown-Künstlerin – eine Zufallsbekanntschaft – auf der viel zu engen Bank und wir haben uns stundenlang unterhalten. Es war so schön!"