Die mögliche große Koalition will eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ermöglichen. Doch wie konkret sind die Pläne – und wer profitiert wirklich?

Gute Arbeit. Mit dieser Überschrift haben SPD, CDU und CSU ein Kapitel ihres 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrages überschrieben. Gute Arbeit, das bedeutet für viele nicht mehr unbedingt, in einem klassischen Normalarbeitsverhältnis mit unbefristetem Vollzeitjob beschäftigt zu sein.

Es kommt den Arbeitnehmer*innen darauf an, wie ihr Arbeitsmodell ausgestaltet ist. Es geht um mehr Selbstbestimmung bei den Arbeitszeiten, nach Möglichkeiten, ortsunabhängig zu arbeiten oder auch einen Job (vorübergehend) in Teilzeit auszuüben. Die Forderung der IG Metall nach der 28-Stunden-Woche entsprach einem mehrheitlichen Wunsch. 68 Prozent der 680.000 Beschäftigten, die an einer Befragung der Gewerkschaft teilgenommen haben, wünschen sich eine 35-Stunden-Woche oder kürzere Arbeitszeiten. Jede*r Fünfte will die Arbeitszeit auf weniger als 35 Stunden reduzieren. 82 Prozent finden es gut, wenn sie ihre Arbeitszeit für Kindererziehung oder Pflege vorübergehend absenken können.

Dass die Vereinbarkeit von Arbeit und persönlichen Interessen immer noch nicht richtig gelingt, hat gerade erst wieder eine repräsentative Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes gezeigt. Laut DGB-Index Gute Arbeit 2017 sind 41 Prozent der Befragten nach der Arbeit zu erschöpft, um sich noch um private Angelegenheiten zu kümmern, und zwar oft oder sogar sehr oft. Nur ein Viertel der Befragten behauptete, keine Schwierigkeiten mit der Vereinbarung von privaten und beruflichen Interessen zu haben.

Die offenkundigen Bedürfnisse der Arbeitnehmer*innen nach mehr Selbstbestimmung und besserer Vereinbarkeit greift der Koalitionsvertrag von Union und SPD in mehreren Passagen auf. Doch was will die große Koalition konkret umsetzen?

1. Mobile Arbeit

Es gibt im Koalitionsvertrag nicht nur die Überschrift Gute Arbeit, die sich übrigens bereits im GroKo-Vertrag von 2013 fand. Auch Gute digitale Arbeit findet sich als Unterkapitel im neuen Vertrag. Union und SPD wollen die Digitalisierung nutzen, "um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen", heißt es. Mobile Arbeit soll gefördert und erleichtert werden, Regelungen dazu gesetzlich fixiert werden. Dazu gehört auch der "Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung". Das heißt: Nicht der*die Beschäftigte muss den Wunsch nach mobiler Arbeit begründen, sondern das Unternehmen muss Gründe liefern, wenn es den Wunsch ablehnt. Viel mehr ist dazu aber nicht im Koalitionsvertrag festgehalten. Ähnliche Ziele fanden sich übrigens bereits im Vertrag von 2013. Damals ging es noch um sogenannte Telearbeitsmodelle, die ausgebaut werden sollten.

2. "Experimentierräume"

Von sogenannten Experimentierräumen hingegen war 2013 noch nicht die Rede. Die soll es nun bei der Gestaltung von Arbeitszeiten geben. Allerdings nur für tarifgebundene Unternehmen. Das Ziel ist mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Beschäftigten, zugleich aber auch mehr Flexibilität für den Betrieb. Über Betriebsvereinbarungen wäre es dann möglich, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit flexibler festzulegen statt einer starren Tagesarbeitszeit. Welche konkreten Ansprüche ein*e Arbeitnehmer*in innerhalb dieser Experimentierräume hat, dazu steht nichts im Koalitionsvertrag.

3. Familienzeit

"Mehr Spielraum für Familienzeit" will die große Koalition schaffen. Sie will den Wünschen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden und Familien in ihrem Anliegen unterstützen, mehr Zeit füreinander zu haben. "Wir werden dazu Modelle entwickeln, mit denen mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann", lautet das Versprechen. Es taucht sogar gleich an zwei Stellen im Vertrag auf, mit demselben Wortlaut. Mehr wird zu diesen Modellen dann aber auch nicht gesagt. Bereits 2013 war von flexiblen Arbeitszeitmodellen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Rede. Damals forderte die große Koalition die Wirtschaft auf, "diese zu fördern". Doch die Unzufriedenheit bei der Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ist geblieben. 

4. Ein Recht auf Teilzeit

Im nächsten Absatz wird es konkreter. Denn das Recht auf befristete Teilzeit gehört zu den größeren arbeitsmarktpolitischen Vorhaben der großen Koalition. Insbesondere Müttern soll es helfen, nach einer Familienphase ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen und nicht in der Teilzeitfalle stecken zu bleiben. Doch es gibt zahlreiche Einschränkungen beim Recht auf Teilzeit: Der neue Teilzeitanspruch gilt nur für Unternehmen, die mehr als 45 Mitarbeiter*innen haben. Für Unternehmen mit 46 bis 200 Mitarbeiter*innen gilt eine sogenannte Zumutbarkeitsgrenze. Das heißt, die Firma muss nur einem*r von 15 Mitarbeiter*innen den Anspruch gewähren. Zudem kann der Arbeitgeber eine befristete Teilzeit ablehnen, wenn sie ein Jahr unterschreitet oder fünf Jahre überschreitet. Und wenn die befristete Teilzeitphase vorbei ist, kann man frühestens nach einem Jahr eine erneute Verringerung der Arbeitszeit verlangen. Das bedeutet: An vielen Beschäftigten geht diese Regelung komplett vorbei. Für sie gibt es auch weiterhin kein Recht auf eine befristete Teilzeitstelle und damit keine Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit.