Jede*r hat diese eine Person im Freundeskreis, die bei Trivial Pursuit regelmäßig abräumt. Ein allwissendes Wesen mit einer Allgemeinbildung, die andere eifersüchtig macht. Allerdings ist-...

Moment, worum geht's noch mal? Jetzt habe ich vergessen, was ich schreiben wollte. Oh, außerdem weiß ich nicht mehr, wo mein Schlüssel ist. Und irgendwas war doch heute um 20 Uhr, oder? Alles egal. So wichtig war es offensichtlich nicht. Wenn mein Gehirn es vergessen wollte, war es die richtige Entscheidung. Es gibt nämlich einen Grund, warum wir manche Dinge vergessen und manche nicht. Wissenschaftler fanden heraus, dass Vergesslichkeit die Folge eines Sicherheitsmechanismus im Gehirn ist. Er soll dafür sorgen, dass wir nicht mit Informationen überlastet sind. Anders gesagt: Vergessen ist ein gesundheitsfördernder Prozess.

Für diejenigen, deren Gedächtnis einem Sieb gleicht, sind das hervorragende Nachrichten. Laut den Autoren der Studie, Blake Richards und Paul Frankland von der University of Toronto, ist unser Gedächtnis nicht dazu da, um uns mit möglichst genauen Informationen zu versorgen. Es ist dazu da, uns mit den brauchbarsten Informationen zu versorgen – um damit in der Zukunft kluge Entscheidungen treffen zu können.

Eine Überdosis an Informationen sei dafür hinderlich. "Es ist wichtig, dass das Gehirn irrelevante Details vergisst und sich stattdessen auf Dinge konzentriert, die uns später helfen werden, Entscheidungen zu treffen", sagt Richards. "Das wahre Ziel des Gedächtnisses ist es, die Entscheidungsfindung zu optimieren." Zu diesem Schluss kamen die Forscher, indem sie bereits durchgeführte Studien aufarbeiteten, die den menschlichen Erinnerungsprozess von zwei unterschiedlichen Seiten beleuchteten: einerseits die Neurobiologie des Erinnerns und dessen Langlebigkeit und andererseits die Neurobiologie des Vergessens und dessen Vergänglichkeit. Frankland fasst zusammen: "Wir haben zahlreiche Belege dafür gefunden, dass es im Gehirn Mechanismen gibt, die den Erinnerungsverlust fördern."

Wie geht noch mal Busfahren?

Erinnerungsverlust fördern: Damit ist das vorsätzliche Abschwächen von synaptischen Verbindungen zwischen Neuronen gemeint, die dem Gehirn helfen Erinnerungen zu speichern. Außerdem existieren Mechanismen in unserem Gehirn, die anderen Neuronen befehlen, bestehende Erinnerungen zu überschreiben. Wofür? Damit diese schwieriger abrufbar sind.

Aber warum wendet unser Gehirn Energie auf, um uns Dinge vergessen zu lassen? Laut den Studienautoren sind das zwei Gründe:

  1. Vergesslichkeit hilft, uns an neue Situationen anzupassen. Indem wir Erinnerungen loslassen, machen wir Platz für neue. Wenn die Bushaltestelle, bei der du täglich in den Bus steigst, ein paar Straßen weiter verlegt wird, ist es leichter, dich an die neue Einstiegsstelle zu gewöhnen, wenn du die alte vergisst.
  2. Vergessen hilft uns dabei, vergangene Ereignisse zu generalisieren, um später klügere Entscheidungen zu treffen. Anstatt dich an sämtliche Erlebnisse bei jeder deiner Busfahrten zu erinnern, weißt du bloß noch das Wesentliche. Das entlastet dein Gehirn und du weißt trotzdem noch genug, um dich in einem Bus richtig zu verhalten.

"Wenn das Gehirn bei der alltäglichen Navigation durch den Alltag ständig neue, sich widersprechende Erinnerungen abruft, ist es schwer für jemanden, eine sachkundige Entscheidungen zu treffen", sagt Richards. Das hänge allerdings auch von unserem Umfeld ab. Je öfter wir schnellen Veränderungen ausgesetzt sind, desto vergesslicher wären wir.

Den Trivial Pursuit-Gedanken von oben, führt Richards selbst zu Ende: "Wir neigen dazu, Personen zu idealisieren, die gut bei Quizspielen sind. Beim Gedächtnis kommt es allerdings nicht darauf an zu wissen, wer den Stanley Cup 1972 gewonnen hat. Der Sinn von Erinnerungen ist es, Menschen intelligenter zu machen, sie zu von den Umständen abhängige, kluge Entscheidungen fällen zu lassen." Und um das zu erreichen, sei ein gewisses Ausmaß an Vergesslichkeit äußerst hilfreich.