Am Pfingstsonntag kamen viele Berliner*innen zu einer Schlauchboot-Demo in Kreuzberg zusammen. Hygienevorschriften wurden dabei weitgehend missachtet.

Eigentlich sollte es eine Demonstration für den Erhalt der Berliner Clubs sein, doch letztlich entwickelte sich der Landwehrkanal in Berlin Kreuzberg am Sonntag zum Schauplatz eines Raves, der den Anschein erweckte, die Corona-Pandemie sei überstanden. Am Kanal und dessen Ufern versammelten sich nach Polizeiangaben bis zu 1.500 Menschen, um für den Erhalt der Berliner Clubkultur zu demonstrieren.

Angemeldet hatte die Demo das Berliner Clubkollektiv Rebellion der Träumer. "Damit es kein Superspreader-Event wird, möchten wir euch unbedingt darum bitten, Gesichsbedeckungen mitzunehmen [und] Abstand zueinander zu halten (…)", hieß es dazu in der Ankündigung des Events auf Facebook. Die Hygienevorschriften zur Eindämmung des Coronavirus wurden jedoch überwiegend nicht beachtet.

Demonstrationsverbot in Berlin aufgehoben

Seit 30. Mai sind Demos im Freien ohne Beschränkung der Teilnehmer*innenzahl in Berlin wieder erlaubt. Das hatte der Berliner Senat vergangene Woche beschlossen. Allerdings müssen trotz dessen die Abstandsregeln eingehalten werden. Die Veranstalter*innen wiesen die Teilnehmenden am Sonntag zwar immer wieder darauf hin, aber mehrere in den sozialen Netzwerken kursierende Videos zeigen, dass die Anweisungen nicht umgesetzt wurden.

Auf den Bildern und Videos von der Veranstaltung ist auch zu sehen, dass nur wenige Teilnehmende einen Mundschutz tragen. Wie die Polizei mitteilte, fuhren auf dem Kanal bis zum späten Nachmittag etwa 300 bis 400 Boote. Nachdem sich Anwohner*innen über die laute Musik beschwert hatten und die Demonstrierenden die Abstände zueinander nicht einhielten, beendeten die Veranstalter*innen nach einem Gespräch mit der Polizei die Versammlung am frühen Abend vorzeitig.

"Da habt ihr die Ravekultur aber mal richtig gerettet!"

Der Rave sorgt auch für kritische Reaktionen im Netz. Zwar zeigten sich viele Menschen grundsätzlich mit der Demonstration zum Erhalt der Berliner Clubkultur solidarisch, doch kritisierten sie, dass eine erneute Verschärfung der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aufgrund nicht eingehaltener Hygieneregeln und die damit einhergehende weitere Schließung von Bars und Clubs kaum helfen könne. "Glaubt ihr ernsthaft, mit dieser Aktion Argumente für öffentliche Mittel für Clubs, Festivals und die dort Beschäftigten zu liefern? Ihr habt echt den Schuss nicht gehört …", schreibt ein Nutzer auf Facebook. Ein weiterer reagiert mit Sarkasmus: "Da habt ihr die Ravekultur aber mal richtig gerettet!" Wiederum andere kritisieren die Aktion als unsolidarisch.

"Die größte Krise der Berliner Kulturszene seit der Nachkriegszeit"

Kulturschaffende hatten unter den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus seit der Schließung von Kulturräumen stark gelitten. "Unsere künstlerischen Existenzen drohen zu scheitern, unsere Kulturräume zu verschwinden – wenn die Gesellschaft sich nicht solidarisch zeigt", heißt es dazu in der Ankündigung der Veranstalter*innen. Man fordere die "finanzielle Gleichstellung von solo-selbstständigen Künstlern mit Kurzarbeitenden, solange das Konzertverbot besteht".

Denn anders als Demonstrationen sind Musikveranstaltungen in Berlin weiterhin untersagt. Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission, dem Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturveranstalter*innen, bezeichnete in einem Interview mit ze.tt die aktuelle Situation als "die größte Krise der Berliner Kulturszene seit der Nachkriegszeit".

Neuinfektionen halten sich (noch) in Grenzen

Trotzdem ist bisher kein sprunghafter Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen. Wie Der Spiegel berichtet, seien dem Robert Koch-Institut zuletzt etwa 200 bis 700 neue Corona-Fälle deutschlandweit pro Tag gemeldet worden. Anfang April waren es an einigen Tagen noch rund 6.000 Neuinfizierte gewesen.

Und: Im Schnitt steckt jede*r Infizierte höchstens eine weitere Person an, die sogenannte Reproduktionszahl R hat in den vergangenen Wochen zwischen 0,77 und 1,03 geschwankt. Diese positive Entwicklung lässt sich laut einer neuen Studie, die in dieser Woche im renommierten Fachmagazin Science veröffentlicht wurde, auf die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zurückführen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich am Sonntag in einem Interview mit dem Tagesspiegel noch dafür ausgesprochen, nicht leichtfertig mit den neuen Lockerungen umzugehen. mm