Selten fiel es mir schwerer, etwas aufzuschreiben. Ich dachte, unsere Generation wäre anders. Ich hatte diese romantische Vorstellung von einer vernetzten Welt, in der wir alle uns sehen können. Ich dachte, wir würden so langsam verstehen. Uns liegt doch daran, miteinander zu feiern, zu lachen, miteinander zu leben. Und mittels Social Media würden wir uns formieren können, um Gutes zu tun. Um einander zu helfen. Und vor allem, um gemeinsam gegen Hass einzustehen. Ich gehörte zu denen, die daran glaubten, dass wir auf die Straße gehen könnten, um es nie wieder soweit kommen zu lassen.

Allein Donald Trumps Kandidatur ist ein schlechter Witz, dachte ich damals noch. Ja, ich ging davon aus, dass die Wahl die USA entzweien wird. Aber ich hatte bis zuletzt die Hoffnung, dass die Menschen da drüben das schon richten werden. Denn für mich war es unvorstellbar, dass sie tatsächlich so jemanden wählen könnten: einen Rassisten, einen Sexisten, einen menschenfeindlichen Demagogen. Wie könnten sie jemanden wählen, dessen einziger Antrieb das Geld war und der jetzt, so kurz vor seinem Ableben, nochmal richtig auf die Kacke hauen will? Heute morgen, am Tag nach der Wahl, bin ich dann aufgewacht. Big US of A, so small today.

Ich begreife jetzt: Das Ganze ist größer als wir alle. Das Problem ist nicht Trump. Unser Problem ist Fremdenhass. Er ist tatsächlich so tief in der Menschheit verwurzelt, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Er ist eine dieser großen Krankheiten der Menschheit. Er ist wie ein Geschwür, wie ein Gift, dem wir uns offenbar nicht mehr entledigen können – und es wird durch stumpfen Populismus weitergetragen. Ich kann nicht beschreiben, wie kraftlos und traurig mich diese Tatsache macht. Meine Hoffnung von der vernetzten Welt, vom gemeinsamen Leben, ist zerplatzt, schlimmer: sie war völlig utopisch. Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Status sind immer noch zu mächtig.

What now, the fuck?

Trump, dieser Teufel in Menschengestalt; er ist nur ein Auswuchs des Geschwürs. Und es wird weiter wachsen – wenn wir es nicht schaffen, diese Entwicklungen zu stoppen. Das Problem ist: Trump steckte bereits genug Menschen mit seinem Rassismus und Populismus an, ihn zu wählen. Und er wird während seiner Präsidentschaft noch mehr Menschen in der USA anstecken können. Was passiert als nächstes? Werden Mexikaner*innen verprügelt? Werden People-of-Color wieder offen diskriminiert?

Die US-Amerikaner*innen haben einen unberechenbaren Psychopath als Präsident, der im Endeffekt Chaos und Anarchie propagiert. Und wir anderen, im Rest der Welt? Wir sehen die selben Muster in Frankreich, in Großbritannien, auch in Deutschland. Können wir nur dabei zuschauen, wie daran langsam Werte zerbrechen, die so wichtig für unser Zusammenleben sind? Werte wie Aufrichtigkeit, Anteilnahme, Menschlichkeit?

Um den Finger mal eben auf uns selbst zu richten: Auch wir haben Probleme mit Fremdenhass in unserem Land, in unserem Europa. Aber wir, die Ohnmächtigen, die jungen Menschen in Deutschland und Europa, wir haben aber immer noch eine Chance, diese Entwicklung, dieses Geschwür aufzuhalten: Wir können jedes Mal, wenn uns jemand auffällt, der die Grenze überschreitet, eingreifen. Jedes Mal, wenn ein Mensch im Club wegen seiner Herkunft angegangen wird, jedes Mal, wenn Frauen respektlos behandelt werden. Wir können den Mund öffnen und offen für Gleichberechtigung eintreten. Wir können reflektierter werden, analytischer, mit moralischer Stärke gegen tumbe Vorurteile einstehen.

Und wir können offensiv werden. Wir können jetzt immer noch die Politik infiltrieren: Massenhaft den gängigen Parteien beitreten, dort Radau machen und unsere Haltung unmissverständlich durchdrücken. Wir, die das alles nicht wollen, können uns dann aufstellen lassen, für den Bundestag, für das Europäische Parlament. Wir können jetzt rein da, wir können den Laden von innen heraus aufräumen. Und wir können immer noch gegen die Entfaltung des Hasses wählen; im kommenden Jahr eine neue Regierung und in drei Jahren neue Abgeordnete für die EU.

Dann wird sich entscheiden, ob wir gegen diese Krankheit bestehen werden können und ob wir eine Bastion für die Menschlichkeit sein wollen – oder nicht.