2400 Meilen auf einem Floß aus Plastikflaschen den Mississippi runterfahren: Mit dieser Reise wollten Dan Cullum, 24, und seine Freunde auf Umweltverschmutzung aufmerksam machen.

In einem Boot aus Müll schipperte Dan Cullum mit vier Freunden den Mississippi hinunter. Um seine Reise anzutreten, kündigte der 24-Jährige seinen Job. Sein Ziel: Er wollte mit der Reise auf die Umweltverschmutzung aufmerksam machen. Wir haben nachgefragt, was er auf dem Trip erlebte und ob die Aktion etwas bewirkt hat.

ze.tt: Dan, du hast deinen Job bei einer großen Management-Beratung aufgegeben, um zwei Monate auf dem Mississippi zu verbringen. Wie ging’s dir, als du die Kündigung eingereicht hast?

Ich war halbtot vor Angst! Aber gleichzeitig wusste ich: Wenn ich die Gelegenheit jetzt nicht ergreife und das Projekt durchziehe, werde ich das später mal bereuen. Also hab ich es einfach gemacht. An der Uni habe ich Nachhaltigkeit studiert. Bei der Fahrt auf dem Mississippi konnte ich das mit meinen Hobbys verbinden: Wandern, Kajak fahren, entdecken! Die Tour war für mich und meine Freunde aufregend und hatte auch noch einen Sinn.

Und weshalb habt ihr euch für ein Boot aus Müll entschieden?

Ich komme aus Neuseeland. Das stellen sich die Leute ja immer als wunderschönes Urlaubsparadies vor. Dabei sind die Flüsse und Küsten dort übel verschmutzt. Um darauf aufmerksam zu machen, habe ich mit meinen Freunden Kajaks gebaut – aus Bambus und recycelten Plastikflaschen. Dann haben wir zwei Fluss-Expeditionen für junge Leute organisiert. Das war vor drei Jahren. Irgendwann war klar: Der Mississippi wird unser nächstes Projekt.

Warum das?

Der Mississippi ist einer der längsten Flüsse der Welt. Und er ist besonders verschmutzt, weil er an der Schnittstelle menschlichen Lebens ist. 18 Millionen Menschen trinken daraus Wasser. Der Fluss wird auch für den Handel genutzt, für Freizeitgestaltung und für die Landwirtschaft. Uns ging es außerdem darum, mit der Fahrt möglichst viele Leute zu erreichen. Auf dem Amazonas wären wir zwar durch wunderschöne menschenleere Landschaften getuckert. Aber wir hätten niemals so viele Leute kennengelernt wie auf dem Mississippi.

Was für Abfall eignet sich denn am besten fürs Boot-Bauen?

Für die grobe Struktur haben wir altes Holz vom Hafen verwendet. Leute haben uns Feuerholz und Kleber vorbeigebracht. Damit das Ganze schwimmt, haben wir recycelte Plastikflaschen verwendet. Man muss sich das vorstellen wie zwei sehr lange Kanus mit einer Plattform dazwischen. Und dann haben wir noch einen Motor eingebaut, den eine Autofirma gespendet hat.

Motor, Holz, Plastikflaschen – wo hattet ihr den ganzen Müll her?

Die Flaschen haben wir auf den Bürgersteigen von New York City gesammelt und auch ein paar von einer Recycling-Fabrik bekommen. Das Holz haben wir auf einem Hafen-Flohmarkt ersteigert.

Ein solches Konstrukt stelle ich mir ziemlich instabil vor. Ist das Boot nie zusammengekracht?

Zum Glück nicht. Ioco – so haben wir unser Boot genannt – war echt solide! Nur am Anfang mussten wir ein paar kleinere Reparaturen in Angriff nehmen. Unfälle gab es keine, aber ein paar gefährliche Momente hatten wir schon. Einmal sind wir fast mit einem Handelsdampfer zusammengekracht.

Wer in See sticht, darf nicht nur mit Sonnenschein rechnen. Habt ihr auch Stürme erlebt?

Klar. Wir waren ja auch während der Hurrikan-Saison unterwegs. Bei Blitz und Donner über den Mississippi zu fahren ist nicht so lustig! Aber wir sind nur raus aufs Wasser, wenn die Lichtverhältnisse gut waren – und wenn nicht gerade der ärgste Sturm wütete. 

Klingt nach einem spannenden Road Trip – nur eben auf dem Wasser.

Ehrlich gesagt konnten die Tage sehr lang sein. Wir verbrachten jeden Tag zehn bis 14 Stunden auf dem Boot. Mit den ersten Sonnenstrahlen standen wir auf und saßen zehn Minuten später schon beim Frühstück im Schatten unseres Segels. Oft war es unerträglich heiß. Einmal hatte es 40 Grad. Da versucht man natürlich, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Manchmal sind wir auch ins Wasser gesprungen – natürlich nur, wenn keine Alligatoren in der Nähe waren!

Ihr habt auch Proben genommen, um Mikroplastik zu finden. Was ist das überhaupt?

Das sind kleine Teile aus Kunststoff, weniger als fünf Millimeter groß. Mikroplastik kann gefährlich sein, wenn zum Beispiel Fische die Teile schlucken – dann kommt Plastik in unsere Nahrungskette. Der Mississippi ist ein Sammelbecken für viele große Städte. Um herauszufinden, wie viel Mikroplastik im Fluss schwimmt, haben wir für eine Universität bei Memphis und St. Louis Proben entnommen. In einer Probe waren 17 Teile anorganische Materialien, wahrscheinlich Mikroplastik. Wenn man das hochrechnet, könnten jeden Tag Milliarden Teile den Golf von Mexiko rausschwimmen. Gruselige Vorstellung!

Wie haben die Leute auf eure Tour reagiert?

Als wir angefangen hatten, wusste kein Mensch, was wir da eigentlich machen. Aber innerhalb weniger Wochen gab es da diese extrem hilfsbereite Community. Wir hatten einen Echtzeit-GPS-Tracker, deshalb konnte die online mitverfolgen, wo wir gerade waren. Wir haben viel Besuch bekommen, viele haben Essen mitgebracht. Wir wurden großzügig mit Cookies versorgt!

Klingt nett, aber: Hat die Aktion wirklich was verändert?

Ich denke schon! Einmal sind wir mit den Betreibern eines Geschäfts ins Gespräch gekommen. Am nächsten Tag hatten sie beschlossen, die Verpackung im Shop zu reduzieren. Ein andermal haben wir mit einer Politikerin aus New Orleans zusammengearbeitet: Sie will eine neue Gesetzgebung gegen Plastiktüten auf den Weg bringen. Schon jetzt setzen sich viele Menschen für den Schutz des Mississippi ein – vom Fischer bis zum Betreiber eines Kanu-Verleihs. Einige davon haben wir auf unserer Reise interviewt. Die Dokumentation soll nächstes Jahr rauskommen.

Eure Tour ist vorbei. Ist Ioco jetzt eigentlich in der Mülltonne gelandet?

Natürlich nicht! Wir haben sie der "Lower Mississipi River Foundation" (www.lowermississippiriverfoundation.org) geschenkt. Das ist eine Organisation, die Non-Profits im Gewässerschutz zusammenbringt. Ioco liegt jetzt in Clarksdale, Mississippi vor Anker. Sie wird für Clean-ups genutzt und für Naturschutz-Schulungen. Die sind dort jetzt schon wahnsinnig stolz auf sie.