Die Regierungschef*innen hätten die Dringlichkeit der Klimakrise verstanden, daher wolle sie nicht mehr streiken, verkündet die Aktivistin Greta Thunberg über Twitter. Dabei beweisen diese genau das Gegenteil. "Nachdem ich mit so vielen unserer Regierungschefs gesprochen habe, habe ich nun eingesehen, dass sie die Klimakrise unter Kontrolle haben, die Dringlichkeit der Sache verstehen und bereit sind, zu handeln. Daher habe ich beschlossen, meinen Streik aufzugeben und stattdessen wieder in die Schule zu gehen. Ich werde freitags nicht mehr streiken." Viele dürften große Augen gemacht haben, als sie diesen Tweet auf dem Profil der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg entdeckten.

Immerhin ist die 16-Jährige das Idol einer jungen Bewegung für Umwelt- und Klimagerechtigkeit, die unter dem Namen Fridays for Future Kinder, Schüler*innen und Erwachsene in verschiedenen Ländern und Städten jeden Freitag auf die Straße bringt. Mehr als 30 Wochen und Freitage ist es her, dass Greta Thunberg nicht in die Schule ging und stattdessen vor dem schwedischen Parlament demonstrierte, um die Politiker*innen an die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erinnern, wie etwa die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

April, April!

Nur sechs Minuten nach diesem Tweet löste Greta die angebliche Kehrtwende auf. Sie twitterte: "Ist natürlich nur ein Aprilscherz!"

Greta-Kenner*innen werden den ersten Tweet sowieso kaum geglaubt haben. Erst am Samstag war Greta bei der Gala der Goldenen Kamera für ihren Einsatz über den roten Teppich gelaufen. Sie erhielt einen Sonderpreis für Klimaschutz. In ihrer Rede wendete sie sich an die Prominenten im Saal: "Die Menschen sehen euch als Götter an. Ihr habt Einfluss auf Milliarden von Menschen. Wir brauchen euch. Ihr könnt eure Stimme benutzen, um Aufmerksamkeit zu schaffen für diese globale Krise."

"Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Aber es ist die einzige, die wir haben."
Greta Thunberg

Prominente würden sich sonst sehr gerne gegen Ungerechtigkeiten auflehnen, sich aber nicht für Klimagerechtigkeit einsetzen, weil sie dann nicht mehr um die Welt fliegen könnten, um ihre Lieblingsrestaurants und -strände zu besuchen, fuhr Greta fort. Wir würden in einer merkwürdigen Welt leben. In einer, in der Kinder ihre Zeit aufopfern müssen, um gegen die Zerstörung ihrer Zukunft zu protestieren, anstatt sich ausbilden zu lassen. Und: "Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Aber es ist die einzige, die wir haben." Für die Rede bekam sie Standing Ovations.

Warum wird Greta Thunberg ständig auf ihre Asperger-Diagnose angesprochen?

Undenkbar, dass Greta diese "merkwürdige Welt" im Stich lassen würde, selbst wenn sie für die junge Schwedin sehr anstrengend sein muss – nicht nur, weil sie im Gegensatz zu den Promis, die sie bei der Preisverleihung ansprach, im Zug durch den halben Kontinent tourt. Am Samstag wurde sie auch von TV-Moderatorin Anne Will interviewt. Teile der Aufnahmen wurden am Sonntag in der Talkshow in der ARD gezeigt.

Anne Will befragte dabei Greta Thunberg nicht nur zu ihrer Entschlossenheit, ihrem persönlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Welt – Greta erzählte etwa, dass sie auf Weihnachtsgeschenke verzichtet. Sie sprach die junge Aktivistin auch auf das bei ihr diagnostizierte Asperger-Syndrom an, eine Variante von Autismus. Die Frage, ob sich ihre Neurodivergenz auf ihre entschlossene Haltung auswirke, bejahte Greta: "Ohne die Diagnose hätte ich wohl so weitergemacht. Aber jetzt arbeite ich anders. Wenn mir etwas wichtig ist, mache ich das zu hundert Prozent."

In der Vergangenheit war Greta immer wieder über ihre Asperger-Diagnose angegriffen worden. AfD-Politiker*innen wie Marc Jongen versuchten, sie als "krankes Kind" zu diffamieren. Im Februar äußerte sie sich daher mit einem Facebook-Beitrag zu den Angriffen: Das Asperger-Syndrom sei keine Krankheit, sondern ein Geschenk, teilte Greta mit. Manche Menschen, die nun das Interview von Anne Will sahen, fragten sich, warum Journalist*innen weiterhin auf das Thema bestehen würden, gerade bei angehenden Erwachsenen:

In der Anne-Will-Talkshow diskutierten indes die Aktivistin Therese Kah, der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck, Wissenschaftler Harald Lesch und der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff, über Fridays for Future. Dabei stellte Ministerpräsident Haseloff fest: "Wenn alle Grünen-Wähler den gleichen CO2-Ausstoß hätten wie die CDU-Wähler, dann würden wir das Klimaziel 2020 erreichen." Publikum und Anne Will blieben verdutzt zurück. Der Auftritt war leider kein Aprilscherz.