NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kann sich freuen: Sein umstrittenes Gesetzespaket zum neuen Polizeirecht wird am Mittwoch im Landtag verabschiedet. Möglich macht es die SPD. Die Sozialdemokrat*innen versicherten am Dienstag, gemeinsam mit der CDU und FPD für das neue Gesetz zu stimmen. Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte dazu: "Im Ergebnis ist das neue Polizeigesetz das sozialdemokratischste aller 16 Bundesländer." Die SPD hat 69 Sitze im Landtag, drei weniger als die CDU. Gemeinsam mit der FDP sind das 169 der insgesamt 199 Sitze.

Bis zu 14 Tage in der Zelle

Das Gesetz erweitert die Befugnisse der Polizei schon bei drohender Gefahr und sollte bereits im Sommer verabschiedet werden. Doch gerade die neue Regelung beim Unterbindungs- beziehungsweise Sicherheitsgewahrsam stieß auf große Kritik.

Gewahrsam bedeutet laut Polizeigesetze der Länder: "Die Person wird dem polizeilichen Zweck entsprechenden Weise verwahrt und bis auf Weiteres daran gehindert, sich nach ihrem freien Willen fortzubewegen." Im Klartext: Die Person sitzt in einer Zelle.

Laut dem neuen Polizeigesetz sollten potenzielle Täter*innen bei drohender Gefahr nicht mehr nur bis zu 48 Stunden in Gewahrsam gehalten werden können, sondern bis zu einem Monat.

Kritiker*innen bemängelten jedoch, dass die Definition einer "drohenden Gefahr" zu unbestimmt sei. Welche Straftaten sind von Bedeutung? Die geplante Änderung betraf zwar sogenannte Gefährder*innen, aber auch andere Kriminelle, Demonstrierende und Hooligans.

Wie nachgebessert wurde

"Hier bleiben erhebliche verfassungsrechtliche Unsicherheiten", urteilte der Staatsrechtler und Juraprofessor der Universität Bielefeld, Christoph Gusy, als er im Juni vor dem Landtag seine Bedenken vortrug. Das Vorhaben sei in Teilen unvereinbar mit dem Grundgesetz. Die Regierungskoalition aus CDU und FDP unter dem Ministerpräsidenten Armin Laschet überarbeitete daraufhin unter Beteiligung der größten Oppositionspartei SPD, die bis Mai 2017 den Landtag gemeinsam mit den Grünen geführt hatte, den Gesetzesentwurf. Die Verlängerung des Sicherheitsgewahrsams wurde auf 14 Tage beschränkt.

Dazu wurden unter anderem die Voraussetzungen konkretisiert: Dabei soll es um potenziell schwere Straftaten gehen, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bewehrt sind, wie etwa bei einem Terroranschlag. Außerdem muss der Gewahrsam von einem Richter angeordnet werden. Inhaltlich bleibt es jedoch schwammig.

Für viele ist der überarbeitete Gesetzesentwurf deswegen kein Grund zur Erleichterung, auch bei Teilen der Jugendorganisation der SPD:

Auch Klimaaktivist*innen, die gerade in NRW Widerstand gegen die Rodung des Hambacher Forsts leisten, fürchten sich vor größeren Repressalien durch die Polizei:

Anfang Dezember demonstrierten rund 3.000 Menschen in Düsseldorf. Das Bündnis Polizeigesetz NRW Stoppen! hatte bereits im Juli eine landesweite Demonstration organisiert.

Eine Klage vor dem Verfassungsgericht ist geplant

Bedenken gibt es auch in Sachen Persönlichkeitsrechte und Datenschutz: Die Befugnisse polizeilicher Behörden sollen denen der Nachrichtendienste angeglichen werden. Dabei geht es unter anderem um die vorbeugende Überwachung von Handys und Laptops. Im aktuellen Gesetzesentwurf sind im Gegensatz zum ursprünglichen zwar Träger*innen von Berufsgeheimnissen wie Geistliche, Ärzt*innen oder Rechtsanwält*innen davon ausgenommen, dennoch: "Diese tiefgreifende Erweiterung der polizeilichen Befugnisse hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung, die Gewaltenteilung und das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten aus", heißt es von Bündnis Polizeigesetz NRW Stoppen!

Die Grünen, die zweitgrößte Oppositionspartei im Landtag, kündigten bereits in der vergangenen Woche an, eine Klage vor dem NRW-Verfassungsgericht in Münster oder vor dem Bundesverfassungsgericht in Erwägung zu ziehen.