Schüler*innen, die sich heute an ihre längst überfällige Hausarbeit setzen wollten, dürften sich mit einem erheblichen Problem konfrontiert sehen. Bei ihrer Recherche müssen sie auf Wikipedia verzichten. Statt Zugriff auf die knapp 2,3 Millionen Artikel zu erhalten, zeigt sich die deutschsprachige Ausgabe der Online-Enzyklopädie am Donnerstag in einem ungewohnten Bild: in Schwarz. Dabei handelt es sich um einen Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform.

Nutzer*innen werden automatisch auf eine Stellungnahme weitergeleitet. Darin weisen die Autor*innen darauf hin, dass nun die letzte Chance sei, um das Urheberrecht in Europa zu modernisieren. Die geplante Reform, die am 26. März vom EU-Parlament verabschiedet werden soll, sei allerdings nicht der richtige Weg. Sie könne "dazu führen, dass das freie Internet erheblich eingeschränkt wird", heißt es in der Stellungnahme. "Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden."

Das Freie Wissen wird selbst dann leiden, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt.
Stellungnahme auf Wikipedia.de am 21. März 2019

Neben der Einführung des Leistungsschutzrechts will die Reform vor allem Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht nehmen. In Artikel 13 des Gesetzes geht es um die Haftbarkeit solcher Plattformbetreiber*innen. Sie müssen künftig mehr tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Geschützte Werke müssten demnach lizensiert werden, bevor sie auf den Plattformen landen – oder dürften erst gar nicht hochgeladen werden. Das würde alle geschützten Texte, Bilder, Musik, Videos und Fotos betreffen. Sogenannte Uploadfilter sollen diese Kontrolle über Inhalte und Nutzungsrechte technisch ermöglichen.

Uploadfilter stehen in der Kritik

Dieser Artikel 13 der Reform samt der Einführung der Uploadfilter steht besonders in der Kritik. Die Filter seien fehlerhaft und würden Satire zum Beispiel nicht verstehen, sagen Kritiker*innen. Diese Filter seien nicht in der Lage, zwischen rechtswidrig verwendeten und legalen Inhalten zu unterscheiden, und würden pauschal alles löschen, was verdächtig aussehe, heißt es etwa auf netzpolitik.org. Es wird vor einer Zensur im Netz gewarnt. Bleibt die Reform, wie sie ist, sind auch die beliebten Memes und damit ein Stück Netzkultur in Gefahr. Denn auch sie sind meist urheberrechtlich geschütztem Material entnommen.

Obwohl zumindest Wikipedia ausdrücklich von Artikel 13 der neuen Urheberrechtsrichtlinie ausgenommen ist, befürchtet die Community der deutschsprachigen Ausgabe, dass das "Freie Wissen selbst dann leide, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt".

Die deutschsprachige Wikipedia wird etwa 30 Millionen Mal am Tag aufgerufen. Im September 2018 hatte Wikipedia schon einmal gegen die EU-Pläne zur Urheberrechtsreform protestiert. Final ist sie derweil noch nicht. Bis voraussichtlich Mitte April haben die Mitgliedsstaaten und das Parlament Zeit, um zuzustimmen. Dabei sind auch noch Änderungen möglich. Am Samstag soll es in verschiedenen europäischen Ländern Demonstrationen gegen das Projekt in seiner jetzigen Form geben, die meisten davon in Deutschland.