Dass Stress grundsätzlich kein erstrebenswerter Zustand ist, sollte sich rumgesprochen haben. Stress macht krank, unglücklich und Pickel. Und ist, grob formuliert, eine Reaktion auf eine gefühlte Bedrohungssituation.

"Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen einer echten Bedrohung und einer nur vorgestellten", erklärt die Diplom-Psychologin und Stressexpertin Bettina Löhr. Manche Menschen würden so gefühlt den ganzen Tag von Bären gejagt.

Und gerade dann, wenn im Job in einer besonders stressigen Situation eigentlich Fokus, Problemlösungsfähigkeit und vorausschauendes Denken mehr als sonst gefragt sind, fällt uns ausgerechnet das besonders schwer. Doch woran genau liegt das und was lässt sich dagegen tun?

Stress beeinträchtigt das Gedächtnis

Eine Studie der US-Uni Stanford hat gezeigt, dass Stress die Fähigkeit zur durchdachten und erfahrungsbasierten Entscheidungsfindung erschwert, weil das Gedächtnis beeinträchtigt ist. Das Erinnerungsvermögen spiele laut Studie jedoch eine sehr wichtige Rolle für die Fähigkeit, Pläne zu machen und auf Situationen zu reagieren.

"Stress kann Menschen die Fähigkeit nehmen, auf kognitive Systeme zurückzugreifen, die dem Gedächtnis und zielgerichtetem Verhalten zugrunde liegen und es ermöglichen, Probleme schneller, effizienter und effektiver zu lösen", so der Studienautor und Psychologe Anthony Wagner laut Uni-Website.

Das hat auch mit Stresshormonen zu tun: "Ein chronisch erhöhter Cortisol-Spiegel steht in direktem Zusammenhang mit Gedächtnisstörungen", sagt Bettina Löhr. Stressgedanken produzieren demnach Stresshormone – mit Folgen: "Wir sind im Alarmmodus: Angriff oder Flucht. Da können wir uns nicht mehr auf anderes konzentrieren, den Überblick bewahren und nach Lösungsmöglichkeiten suchen."

Alternativen, positive Entwicklungen, kreative Ansätze fallen bei starkem Stress aus dem Blickfeld. Stattdessen richtet sich der Fokus auf das Negative, auf die Belastung. Mit anderen Worten: Du kannst unter Stress nicht mehr richtig denken.

Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden lernen, das ist gar nicht so einfach am Anfang.
Bettina Löhr, Diplom-Psychologin

Kurzfristige Stresssituationen seien laut Expertin kein großes Problem, sie könnten sogar eine Hilfe sein und Energie geben. Problematisch wird es allerdings dann, wenn der Stress andauert und sich keine Entspannung abzeichnet.

Zum Glück gibt es da durchaus ein paar übergangsweise Hilfen, Tipps und Lösungsansätze – also neben Stressverminderung durch bedingungsloses Grundeinkommen oder Abschaffung des Kapitalismus, zum Beispiel.

So kannst du mit Stress umgehen

Erste und wichtigste Regel: Ruhe bewahren. Bettina Löhr nennt das "Distanz aufbauen". Das gelinge unter anderem durch einen kurzen Spaziergang um den Block. Tief durchatmen. Der Bär ist kein Bär, alles wird gut.

Dazu gehört laut Bettina Löhr auch, Pausen in den Arbeitsalltag zu integrieren, schon ganz kleine können helfen: "Ein Blick aus dem Fenster, kurz räkeln und strecken, ein Glas Wasser trinken, Schluck für Schluck und nichts anderes dabei machen." Dinge bewusster und langsamer zu erledigen, helfe bei der Entschleunigung – und dem Gehirn dabei, aus dem Fluchtmodus auszusteigen.

Außerdem sei nach der Arbeit und am Wochenende echtes Abschalten nötig. Nicht nur rumliegen und Netflix gucken – auch, wenn das mit stressbedingt reduzierten Ressourcen das einzig Machbare scheint – sondern Geist, Herz und Seele bewusst aufladen. Sport, Freund*innen treffen, einen erbaulichen Ausflug in den Wald machen, Kitesurfing, was immer dich erfüllt.

Sonst geht das mit dem Stress immer so weiter. "Wir fangen an, Fehler zu machen, strengen uns noch mehr an, sind noch gestresster und so auf dem besten Weg in die Erschöpfung", erklärt die Stressexpertin.

Maximal zwei wichtige Dinge pro Tag auf der To-do-Liste

Cleveres, großzügiges Zeitmanagement kann ebenfalls entlastend wirken. Aber eine kilometerlange To-do-Liste, die dich in deinen Träumen verfolgt, ist wenig förderlich. Deshalb reicht das Schreiben einer Liste nicht, die Priorisierung macht’s. "Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden lernen, das ist gar nicht so einfach am Anfang", sagt Bettina Löhr. "Auch hier nicht übertreiben. Nur zwei wichtige Dinge pro Tag, lieber über die Woche verteilen."

Wenn du dann damit beginnst, ist das Wichtigste geschafft. "Der Rest geht dann leichter von der Hand und liegt nicht wie Felsbrocken im Weg", erläutert die Expertin.

So schaffst du es, den Stress zumindest ein wenig zu reduzieren und den Bären in sein Höhle zurückzuschicken. Denn so ein Tag hat nun mal nur 24 Stunden, niemand kann und muss immer alles 100-prozentig erledigen – auch du nicht.