Eines Abends kam ich von der Arbeit nach Hause, mein damaliger Partner hatte oft früher Feierabend als ich, und über jeder Lehne der sechs Stühle um den Esstisch lag eins seiner getragenen Kleidungsstücke: Socken, T-Shirt, Hose, … Da ist irgendwas in mir gerissen.

Zum gefühlt hundertsten Mal zofften wir uns lautstark wegen des Themas Ordnung. Es fielen Sätze wie "Als würde ich gegen eine Wand reden!", und "Ich verstehe echt nicht, was dein Problem ist!". Wir hörten uns an wie eine sehr alte, zerkratzte und schlechte Schallplatte. Wir haben uns irgendwann wieder eingekriegt, doch geändert hat sich danach nichts. And repeat.

Aber weshalb streiten Paare sich im Laufe der Beziehung immer wieder um die gleichen Themen – und welche sind das überhaupt?

Worüber sich Paare streiten

Klar ist: Wer sich liebt und sehr nahe steht, wer Leben und Alltag miteinander teilt, kommt um Reibungen und Auseinandersetzungen nicht herum; die meisten Paare streiten sich ab und zu.

Wie sie das tun, das ist so unterschiedlich wie die jeweiligen Beziehungen und die beteiligten Individuen. Manche brummeln nur, andere motzen, wieder andere versuchen, die Sachebene nicht zu verlassen und Argumente auszutauschen.

Doch die Konflikte, an denen sich Streits entfachen, sind bei allen tatsächlich recht ähnlich. Fast 4.000 Paare hat ElitePartner für eine repräsentative Studie zu ihren Auseinandersetzungen befragt. Ganz oben auf der Liste mit den häufigsten Streitgründen in Beziehungen steht das Thema Unordnung, 44 Prozent der befragten Paare bekommt sich deshalb öfter in die Wolle.

Ein weiterer gängiger Konfliktauslöser ist das Smartphone, ein Viertel der Paare streitet sich regelmäßig, weil der*die eine zu viel Zeit mit dem Handy verbringt und mit seiner*ihrer Aufmerksamkeit woanders ist. Außerdem rappelt es in Beziehungen auch oft wegen der Finanzen oder aufgrund des Alltags- und Zeitmanagements.

"Die scheinbar trivialen Alltagsthemen wie Unordnung, Zeit am Smartphone, Unpünktlichkeit sind die häufigsten Reibungspunkte in Partnerschaften und selten gelingt es, einfach darüber hinweg zu schauen", so die Paartherapeutin Lisa Fischbach zu ze.tt.

Das steckt wirklich dahinter

Oft geht es aber nur oberflächlich betrachtet um Socken, Kaffeebecher, Schuhshopping oder Animal Crossing. Hinter wiederkehrenden Streitthemen steckt nicht selten was ganz anderes.

Zum einen werden in Auseinandersetzungen individuelle Bedürfnisse und Werte artikuliert und verhandelt. "Bei Streitigkeiten prallen unterschiedliche Einstellungen, aber auch Persönlichkeitseigenschaften aufeinander", erklärt Lisa Fischbach.

Das heißt: Bei zentralen Themen müssen Paare ihre gemeinsame Mitte finden, mit der beide okay sind. Solange das nicht passiert, gibt es immer wieder Zoff.

Zum anderen könne sich dieses Verhandeln laut Fischbach irgendwann auch in Richtung Machtkampf verschieben: "Beide möchten nicht nachgeben oder sich unterordnen und glauben, mit mehr Druck, Argumenten oder raffinierten Strategien den Partner oder die Partnerin verändern zu können."

Deshalb sollten Paare bei sich ständig wiederholenden Streit-Inhalten hellhörig werden und versuchen, die Muster dahinter zu erkennen.

Außerdem können noch tiefergehende, strukturelle Probleme hinter wiederkehrenden Auseinandersetzungen stecken. Dass Unordnung so ein weit verbreitetes Reizthema ist, könnte zumindest bei heterosexuellen Paaren beispielsweise an überholten, internalisierten Rollenvorstellungen liegen. Und zwar nicht nur bei Mutti und Vati.

Laut einer Studie der kanadischen Université de Moncton mit 204 zusammenlebenden Paaren zwischen 18 und 30 Jahren fällt auch bei jungen Erwachsenen in heterosexuellen Beziehungen die Hausarbeit zu Ungunsten der Frauen aus.

Unterm Strich verbrachten die befragten Frauen mehr Zeit mit Hausarbeit als die dazugehörigen Männer, letztere hingegen wandten mehr Zeit für Uni oder Job auf und hatten deshalb weniger Ressourcen für Hausarbeit. Die befragten Männer fanden diese Aufteilung laut Studie grundsätzlich fair, die befragten Frauen – Überraschung! – allerdings eher nicht. Sie wünschten sich eine gleichberechtigtere Verteilung der Aufgaben im Haushalt. Und das führte immer wieder zu den gleichen Konflikten und belastete die Beziehung.

Wie Paare aufhören können, immer über dasselbe zu streiten

Konflikte seien laut Lisa Fischbach nicht grundsätzlich problematisch – es komme halt darauf an, wie ein Paar miteinander streite. Das Wichtigste ist, man kann es sich fast denken: Verstehen, was wirklich los ist und worum es eigentlich geht.

Das geht nicht ohne schonungslose Eigenbeobachtung und offene Kommunikation. Zuerst also schauen, was eine*n selbst so wütend macht an den herumfliegenden Socken oder dem ausgegebenen Geld. Geht es vielleicht um ungerecht aufgeteilte Aufgaben oder aus dem Takt geratene Prioritäten?

"Hilfreich ist eine tiefergehende Klärung, in der beide ihre Bedürfnisse zum Thema deutlich machen sollten", sagt Lisa Fischbach, "aber auch das Zeigen von Gefühlen, inwieweit man sich nicht gesehen und gekränkt fühlt."

Erst wenn Bedürfnisse, Trigger und Gefühle erkannt, geklärt und ausgesprochen sind, gehe es an den Verhandlungstisch, um gute Kompromisse und Absprachen zu finden.

Doch das kann nur klappen, wenn beide offen und konstruktiv sind, einander wirklich zuhören und Verständnis füreinander aufbringen, statt auf ihren jeweiligen Standpunkten zu beharren.

Unbedingt zu vermeiden sind hingegen absichtliche Kränkungen, Abwertungen, Zynismus, Verachtung, Rückzug und stummes Mauern. Das bedrohe laut Lisa Fischbach die Beziehung und könne auf Dauer sogar zur Trennung führen.

Ob ein Paar sich streitet oder nicht, ist übrigens kein verlässlicher Indikator für Harmonie und Glück. Es gibt Paare, die lebhaft und oft Konflikte austragen und damit sehr happy sind, genauso gibt es aber auch Paare, die so gut wie nie streiten und trotzdem unglücklich oder unzufrieden sind. Genau wie umgekehrt.

Letztlich kommt es in erster Linie darauf an, wie sehr die beiden Beteiligten sich selbst und einander respektieren, wie bewusst sie mit sich, den eigenen Gefühlen und denen der*des anderen umgehen. Denn streiten Paare konstruktiv, dann tut das ihrer Liebe keinen Abbruch – sondern sogar gut. Und mal ehrlich: Gar nicht streiten, das ist doch unheimlich.