Der Asylbewerber Oury Jalloh starb am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau. Der damals 36-Jährige verbrannte, nachdem ein Feuer ausgebrochen war. Der Mann aus Sierra Leone war kurz zuvor von Polizeibeamten in einer Ausnüchterungszelle untergebracht worden, nachdem er stark alkoholisiert eine Frau belästigt haben soll.

Zwölf Jahre lang wurde in dem Fall ermittelt, zwölf Jahre lang wurde nicht geklärt, wie das Feuer in der Zelle entstanden ist. Die zuständige Staatsanwaltschaft ging davon aus, Jalloh habe das Feuer selbst gelegt. Allerdings war er zuvor mit Händen und Füßen an ein Zellen-Bett gefesselt worden. Seine Familie und diverse Initiativen, die lange schon beweisen wollen, dass Jalloh mit Vorsatz getötet wurde, könnten damit tatsächlich recht haben.

Wie kommt Brandbeschleuniger in eine Ausnüchterungszelle?

Bei einem Gutachten, das der ARD vorliegt, kommen diverse Sachverständige aus den Bereichen Brandschutz, Medizin und Chemie mehrheitlich zu dem Schluss, dass ein Tod durch Fremdeinwirkung wahrscheinlicher sei als eine Selbstanzündung durch Jalloh. Die Gutachten und Brandversuche hatten sich zum ersten Mal detailliert mit der Frage nach dem Ausbruch des Feuers in der Arrestzelle beschäftigt.

In ihren Stellungnahmen schreiben die Expert*innen laut ARD, dass der Brand höchstwahrscheinlich von dritter Hand gelegt worden sei. Der Zustand der Zelle und des Leichnams nach dem Brand ließen sich am ehesten durch den Einsatz geringer Mengen Brandbeschleuniger wie etwa Leichtbenzin erklären. Zusätzlich wird vermutet, dass Jalloh schon vor dem Feuer handlungsunfähig oder tot gewesen sei, weshalb eine Selbstanzündung auszuschließen sei.

Im Gutachten werden Motiv und verdächtige Dessauer Polizeibeamte genannt

Der leitende Gutachter und Oberstaatsanwalt Folker Bittmann fasst in einem Schreiben vom April zusammen, dass der Verdacht begründet ist, und es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Tötung oder Mord handele. Jalloh könnte womöglich mit Brandbeschleuniger besprüht und dann persönlich angezündet worden sein. Es werden in dem Schreiben sogar Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizei namentlich genannt. Das mögliche Motiv: die Vertuschung einer anderen Straftat gegenüber Jalloh.

Das würde zu einem anderen Kuriosum passen. Nachdem Dessau zwölf Jahre lang ohne Erfolg ermittelte, wurde der Fall im Juni dieses Jahres der Staatsanwaltschaft Halle übergeben, die ihn nicht weiter untersuchen möchte. Zuvor hatte der Generalbundesanwalt abgelehnt, den Fall auf Bundesebene zu überprüfen. Und obwohl Dessau schon im August 2016 die Möglichkeit einer Tötung angab, will Halle die Ermittlungen einstellen, wie aus einer Erklärung vom 12. Oktober hervorgeht. Weil sich offenbar "keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung" ergeben würden.

Nach dem neusten Gutachten wäre dies allerdings ein Skandal, wie die Anwältin der Familie Jallohs sagt. Die Linke in Sachsen-Anhalt fordert einen Sonderermittler für den Fall. "Er sollte von außerhalb von Sachsen-Anhalt kommen", sagte die Sprecherin Henriette Quade. "Denn in Magdeburg ist von Seiten des Justizministeriums kein Aufklärungswille zu erkennen." Ob der Fall Oury Jalloh dadurch aber endlich lückenlos geklärt werden würde, ist nicht abzusehen.