Dieter Zapf: Was wir über die Zufriedenheit am Arbeitsplatz wissen, lässt sich größtenteils auf die

Marienthal-Studie der Soziologin Maria Jahoda über Arbeitslosigkeit zurückführen.

In der Studie von 1933 wurde untersucht, wie sich die Arbeitslosigkeit auf Menschen auswirkt. Was ist dabei herausgekommen?

Wenn Leute arbeitslos werden, sind die Auswirkungen sehr unterschiedlich. Während manche beispielsweise eine große Lücke verspüren, weil ihre meisten sozialen Kontakte an der Arbeit hingen, empfinden andere das überhaupt nicht als Problem. Menschen haben viele Bedürfnisse und die haben sie natürlich auch in der Arbeitssituation. Und je nachdem, ob diese individuellen Faktoren befriedigt werden oder nicht, sind Menschen glücklicher oder unglücklicher.
Gibt es auch allgemeingültige Faktoren, die über die Zufriedenheit im Job entscheiden? 

Aus der Sicht der Arbeitspsychologie ist das oberste Motiv das der Selbstverwirklichung in der Arbeit. Sie ist nur möglich, wenn die Arbeit hinreichend interessant und herausfordernd ist. Zudem sind die Einflussmöglichkeiten auch ein wichtiges Merkmal, das darüber entscheidet, ob eine Tätigkeit Spaß macht. Wenn man sich nicht selbstverwirklichen und mitbestimmen kann, hat man keinen Spaß. Jobs müssen die Kreativität anregen und dafür sorgen, dass man immer wieder etwas dazulernt, damit sie uns gefallen.

Manche Leute arbeiten einfach fürs Geld und suchen den Spaß nach Feierabend. Kann dann ein unkreativer Job nicht auch glücklich machen?

Nein, das kann er nicht. Dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben, ist schon klar. Es muss einen gewissen Fit geben zwischen der Person und ihrer Arbeit. Fließbandarbeiter werden vielleicht sagen, dass sie einigermaßen mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Sie werden aber nie großen Spaß an ihrem Job empfinden und mit Begeisterung darüber erzählen, auch wenn sie die Arbeit nur fürs Geld machen. Die Routine verhindert das.
Aber in jedem Beruf stellt sich irgendwann eine gewisse Routine ein. Bedeutet das, dass man im immergleichen Job langfristig nicht glücklich wird?

Es kann schon sein, dass Aufgaben, die man als interessant empfindet, mit wachsender Erfahrung zur Routine werden. In meinem Job ist das zum Beispiel nicht so, weil ich viel in Projekten arbeite. Ich betreibe zwar immer Wissenschaft, aber die Aufgaben sind so abwechslungsreich, dass ich die Arbeit jedes Mal als neu empfinde. In der Arbeitspsychologie gibt es den Begriff der dynamischen Arbeitsgestaltung: Im Optimalfall ändern sich die Herausforderungen im Verlauf der Karriere. Das kann bedeuten, dass sich mit einem Aufstieg innerhalb eines Unternehmens die Aufgaben, die Verantwortung und die Gestaltungsmöglichkeiten verändern. Das kann aber auch bedeuten, dass man den Job wechselt.
Der Generation Y wird ihr Wunsch nach Freiheit und nach Abwechslung oft zum Vorwurf gemacht. In Beziehungen ziehen wir offenbar viel zu schnell den Schlussstrich, wenn es nicht läuft. Trifft das auch aufs Berufsleben zu?

Es gibt Untersuchungen, die Ihre Beschreibung bestätigen. Die Generation Y kettet sich tatsächlich auch im Job weniger fest und fühlt sich einem Unternehmen weniger verpflichtet. Auch wenn jemand eine Ausbildung in einem Betrieb gemacht hat, bedeutet das nicht, dass derjenige dann ewig dort weiterarbeitet. Meine Generation ist sicherlich anders gestrickt. Ob man sich langfristig an einen Job bindet, hängt aber auch vom jeweiligen Betrieb ab, in dem man arbeitet: In Unternehmen wie Siemens, VW oder Daimler bleibt man, das gehört zur Philosophie und wird auch in der Generation Y so fortgeführt.
Vor allem Startups werben häufig mit einem angenehmen Arbeitsklima und einem jungen Team. Spielt das Alter für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz eine Rolle?

Was die Leistung angeht, erweisen sich Unternehmen mit homogenen Teams meist als effektiver. Auf das Wohlbefinden in einem Unternehmen hat die Zusammensetzung der Belegschaft allerdings kaum Auswirkung. Allerdings sind ältere Arbeitnehmer in der Regel zufriedener als die Gruppe mittleren Alters.
Wie wichtig sind nette Kolleg*innen überhaupt bei der Arbeit?

Ein gutes soziales Umfeld bei der Arbeit kann viele Dinge abfedern. Gleichzeitig kann sich das soziale Gefüge sehr negativ auf den Spaß bei der Arbeit niederschlagen, zum Beispiel wenn der Chef einfach unterste Schublade ist. Aber die extreme Zufriedenheit, eine hohe Identifikation mit der Arbeit und einen großen Enthusiasmus kann man nur dann entwickeln, wenn die Aufgabe spannend und herausfordernd ist.