Es gibt nichts Leichteres, als sich über Deutschland aufzuregen. Das schlechte Essen, das schlechte Wetter, Mario Barth. Neben dem bereits Bekannten gibt es durchaus attraktive Hass-Alternativen, die es bislang noch nicht in die Lifestylenews von taff geschafft haben. Heute möchte ich euch eine davon vorstellen: die Wursttheke.

Für fleischessende Österreicher*innen wie mich gibt es wenig Nervigeres als den verzweifelten Versuch, sich in einem deutschen Supermarkt eine Semmel zu kaufen. Und ich spreche hier gar nicht von den Standards für eine knusprige Kümmelbratensemmel beim Interspar, nein. Eine einfache Semmel mit Wurst hätte es meinetwegen Freitagmittag auch getan. Sprachunterschiede hin oder her: Was genau ist an "eine Semmel mit Pfeffersalami, bitte" so schwer zu verstehen, dass man deswegen verdutzt zusammenzucken muss?

Lasst euch die Logik einmal auf der Zunge zergehen: An jeder x-beliebigen deutschen Wursttheke wird, wie der Name schon vermuten lässt, Wurst verkauft – und es gäbe sogar Brötchen im Korb nebenan. Aber die beiden unter handelsüblichen Bedingungen in ihre natürliche Konstellation zusammenzuführen? Vielleicht sogar noch mit Senf? Nö, das geht natürlich nicht.

Dienst nach Vorschrift

Was genau ist gefährlich daran, ein Brötchen aufzuschneiden und mit dem von mir auserkorenen Schinken zu belegen? Liegt es am Zwischenschritt? An den Hygienebestimmungen? Am Prinzip, Dinge so zu machen, wie man sie immer schon gemacht hat? Warum sagt man zu meinem durchaus logischen Vorschlag – eine Semmel mit 15 Gramm ungarischer Salami, bitte – verdutzt: Nein, so etwas gibt es bei uns nicht, und lässt mich die Ingredienzen für eine schmackhafte Jause einzeln zwischen fünfzehn Regalen zusammensuchen, die alle wiederum einzeln verpackt werden? Mit den Buletten, was für ein Wort, schafft ihr es ja auch.

Hauptsache Dienst nach Vorschrift machen, ohne das Prinzip zu hinterfragen."

Gerne frage ich in solchen Situation nach, warum man mir die Semmel nicht an Ort und Stelle aufschneiden könne, statt mich zur Brotausgabestelle ans andere Ende des Supermarkts zu lotsen. "Dat weß ik ook nich", sagte mir eine Angestellte nach meinem letzten Versuch bei Edeka. Toll. Hauptsache Dienst nach Vorschrift machen, ohne das Prinzip zu hinterfragen.

Die deutsche Wursttheke, für mich ist sie inzwischen ein Symptom der haarsträubenden Bürokratie geworden, die selbst im Supermarkt nicht davor halt macht, eine hungrige Wienerin mit einer einfach belegten Semmel glücklich zu machen. Vorschrift ist Vorschrift, gehen Sie bitte zum nächsten Schalter und werden sie da geholfen. Aber: welchen eigentlich? Warum muss man in Deutschland Regeln befolgen, die gar keinen Sinn ergeben? In Österreich funktioniert die Wurstübergabe doch auch bestimmt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die Arbeit an der Wursttheke, sie ist nicht nur ein Symptom der Bürokratie, sie ist auch ein Indiz der deutschen Arbeitsmoral. Einer Moral, innerhalb derer viele froh sind, keinen Blick über den Tellerrand (haha) wagen zu müssen. Wer weiß, was uns dort erwarten würde?

Theoretisch könnte wie immer alles sehr einfach sein: Brot aufschneiden, Schinken und Soße hineinlegen – zumachen, abpacken, fertig. Ist es aber nicht. Stattdessen bekommt man das Wurstprodukt einzeln in Plastik verpackt, zum Brötchen ein Plastikmesser, damit man dies anschließend nach der Kasse aufschneiden, alles im Umkreis von sieben Kilometern anbröseln und selbst belegen kann.

Ich plädiere dafür, dass sich in Zukunft ein*e Wursttheken-Lobbybeauftragte*r im EU-Parlament dafür einsetzt, dass Deutsche genauso wie Österreicher*innen endlich das Recht auf eine ordentliche Jause im Supermarkt zugesprochen bekommen.

Weil jede Semmel zählt.

Mahlzeit.