Die Küche erinnert mehr an eine Werkstatt als an eine Patisserie. In einem Regal stehen dutzende schwarze Plastikboxen. Darin befinden sich Zutaten wie fermentierter Knoblauch, Chlorella-Alge oder Adzukibohne. Es gibt auch eine Schachtel auf der Zucker steht, aber besonders groß ist sie nicht. Auch Töpfe mit Sahne oder Berge von Schokolade sind nicht zu sehen.

"Wir versuchen weitgehend auf Mehl, Zucker und Eier zu verzichten", sagt René Frank, 31, der die Küche leitet. Stattdessen macht er zum Beispiel aus zwei Kilo Paprika 180 Milliliter Saft, der fast so süß ist wie Himbeermark. Dieser Saft ist Bestandteil des Desserts "Paprika, weißer Pfirsich, Büffelmilch", das zumindest optisch an eine Luxusvariante von Vanilleeis mit Himbeersoße erinnert. 6 Euro kostet dieses Dessert. Der passende Drink dazu enthält Rum, Vanille, Orange und frisch geriebenen Ingwer und kostet ebenfalls 6 Euro. "Der Drink soll immer das enthalten, was im Dessert fehlt", sagt Frank. Pairing nennt er dieses Konzept des Aufeinanderabstimmens von Festem und Flüssigem.

Für gewöhnliche Naschkatzen mögen die Desserts mit Zutaten wie Aubergine, Algen oder Dinkelgras ungewöhnlich klingen – für Frank sind das eher einfache Speisen. Er war mehrmals Patissier des Jahres, hat in Tokio, Barcelona und Paris gelernt und zuletzt in Osnabrück im "La Vie" gearbeitet. Das Restaurant ist mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Ein Menü kostet dort entweder 160 oder 210 Euro – ohne Getränke. Dementsprechend aufwendiger waren auch die Nachspeisen.

Welche Teller, welches Licht?

Dass er nun in Neukölln das Coda eröffnet, liegt auch an Oliver Bischoff, 37. Beide besitzen je die Hälfte der Bar. Bischoff ist Designer und entwickelt für seine Kunden Restaurants. "Ich wollte selbst was machen und das Feld der Patisserie ist in Deutschland noch komplett unbeackert", sagt er. Nach seiner Aussage ist das Konzept einer Dessertbar in Deutschland bislang einmalig. Er kaufte das Lokal, begann mit der Renovierung und lernte dann über einen Bekannten René Frank kennen, der von sich sagt, es sei sein Traum gewesen, ein Dessert-Lokal zu eröffnen. Seit Ende 2015 überlegten die beiden dann, was sie den Gästen servieren und wie die Bar aussehen soll – auch Details wie die Farbe der Teller oder die Beleuchtung. "Da stecken bestimmt 3000 Stunden Grips drin", sagt Bischoff.

Wie viel Geld sie in das Coda gesteckt haben, möchten sie nicht verraten, aber Bischoff sagt: "Jeder, der sich mit Gastronomie auskennt, weiß, dass dafür 50.000 Euro nicht reichen." Durchaus auch ein Wagnis, selbst im hippen Berlin-Neukölln. Ein spezielles Publikum haben die beiden nicht vor Augen. "Das ist keine 3-Sterne-Küche, sondern für jeden total offen", sagt Frank. Die Leute sollen nach dem Abendessen oder dem Kinobesuch den Abend bei ihnen ausklingen lassen. Im Moment stehen acht verschiedene Desserts auf der Karte, die zwischen 6 und 11 Euro kosten. Die Speisekarte wollen die beiden immer wieder anpassen.

Was ist Mandelmilchspähre?

"Natürlich besteht ein kleines Risiko, dass wir unserer Zeit einen Tick voraus sind", sagt Bischoff. Niemand wisse eben, was eine Mandelmilchspähre (eine Art Mozzarella aus Mandelmilch mit flüssigem Kern) sei. "Die Leute verstehen es erst, wenn es auf dem Teller ist", sagt er. Damit dabei nichts schief geht, servieren die Köche das Essen selbst. Wichtig ist eine enge Abstimmung mit der Bar, denn ein eiskalter Cashewmilchstaub mit Earl Grey hält nicht ewig seine Form. Also muss der dazugehörige japanische Sake zur gleichen Zeit fertig sein.

Natürlich kann man im Coda auch einfach nur ein Bier trinken – und dazu in Erdnussöl aufgepuffte Schweinehaut essen.