Stell dir vor, du sitzt mit einem Paar im Restaurant am Tisch. Eine Unterhaltung ist nicht möglich, weil jeder kurze Wortwechsel von dem*der anderen unterbrochen wird. Die zwei gehen gemeinsam aufs Klo. Und dann zieht der*die eine dem*der anderen das Shirt hoch und sagt: "Mmmh, so sexy …"

Unvorstellbar, oder? Nicht ganz. Jede*r dürfte mindestens ein Paar kennen, das es auf Instagram ziemlich ähnlich macht. Natürlich kann man das nicht eins zu eins gleichsetzen. Allerdings bewegen sich Menschen zunehmend in virtuellen Räumen und sozialen Netzwerken, ein wichtiger Teil des Soziallebens findet digital statt. Und dort definieren sie sich noch stärker übers Pärchen-Sein als in der Realität.

Warum das so ist, erklärt Paar-Coach und Psychologin Lisa Fischbach: "Die Demonstration ‘Schaut her, uns geht es gut‘ hat oft mehrfachen Nutzen. Durch die gemeinsame Inszenierung der Verbundenheit wird die Paaridentität gestärkt, das hat einen Rückkopplungseffekt auf das Selbstbild." Ego-Aufwertung durch Pärchen-Gepos(t)e.

Liebe ja, digitales Rumgepilcher nein

Damit das klar ist: Neid spielt hier keine Rolle, jeder und jedem sei sein*ihr Liebesglück von Herzen gegönnt. Nur macht dieses instagrammige In-Szene-Setzen misstrauisch. "Nimmt die Zurschaustellung des persönlichen Glücks tendenziell exhibitionistische Züge an, löst das beim Betrachter Widerstand aus. Man fühlt sich fast genötigt, ständig an der Rosamunde-Pilcher-Inszenierung teilhaben zu müssen", meint Paar-Coach Fischbach. "Auch schwingen beim Betrachter nicht selten Zweifel am perfekten Glück mit, werden in sozialen Medien doch fast ausschließlich die Schokoladenseiten gepostet."

[Außerdem auf ze.tt: Was Sexting mit unserem Liebesleben macht]

Allerdings. Besonders wenn man aus Vier-Ohren-Gesprächen weiß, dass es hinter der glücksschillernden Social-Media-Fassade vor Problemen strotzt und man die Beschwerden über nervenzerfetzendes Kindergeschrei, Gesprächsflauten, unerfüllte Sexwünsche, Fremdgehfantasien und sonstige Sehnsüchte auswendig kennt. Lieber mal miteinander reden statt für andere posten, meint auch die Psychologin: "Wer sich permanent als glücklich präsentiert, der verdrängt problematische Inhalte."

Harmoniekitsch bei den einen, Unabhängigkeit bei den anderen

Bei Singles in den sozialen Netzwerken ist die Sachlage anders. "Paare stellen oft ihre Liebe, Innigkeit und Harmonie dar. Singles betonen überwiegend die Vorteile des Single-Lebens und zeigen ihre Fähigkeit, ohne Partner Spaß haben zu können: spannende Unternehmungen, Eingebundenheit in einen tollen Freundeskreis, schöne Reisen. Damit wollen viele ihre Attraktivität erhöhen und Unabhängigkeit ausstrahlen", erklärt Lisa Fischbach. Anders gesagt: Sie suchen noch, sie machen Werbung.

Aber nicht nur Singles, auch andere Paare sind übrigens irgendwann vom Dauergeschnulze genervt.

Das sind die 11 nervigsten Dinge, die Paare auf Instagram tun:

1. Sich gegenseitig taggen, immer und überall

Ja, mittlerweile wissen alle in eurem Freundes- und Bekanntenkreis, dass ihr jede freie Minute zusammen verbringt. Woop-woop!

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2. Eigene Hashtags für sich als Paar und/oder das Kind einführen

Warum? Sollte etwa jemand (außer eurer Eltern und anderer stalkender Blutsverwandter) auf Instagram danach suchen, um sich ausgerechnet über eure Zweisamkeit und das Gedeihen der Leibesfrucht informieren zu wollen?

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3. Supersexy Nacktfotos von dem*der Partner*in posten und subtile Hinweise aufs Sexleben droppen

Endlich hat jemand regelmäßig und freiwillig Geschlechtsverkehr mit euch. Jawollo! [Hier virtuelles High Five einfügen] Das ist wunderbar. Für euch. Ein Beigeschmack bleibt. Vielleicht möchte er*sie gar nicht so sehr über sein*ihren Nussknacker-Hintern definiert werden? Und – völlig verrückt – noch vielleichter möchten andere Menschen nicht im Detail wissen, was sich bei euch unter der Biber-Bettwäsche abspielt?

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4. Alles, wirklich alles kommentieren und liken

Leben und leben lassen! Wer permanent alle Social-Media-Aktivitäten seines*ihres Significant Others überwacht und kommentiert, betreibt im Grunde eine Art digitaler Reviermarkierung. Und das deutet durchaus auf Unsicherheit hin. Meins, meins, meins!

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5. Profilfotos gegen kitschige Pärchen-Profilbilder austauschen

Womöglich noch in Partner-Funktionsjacken. Deutlicher kann man nicht "Mir ist jetzt alles egal, ich bin vom Markt" sagen. Dann kann die Frühverrentung ja beginnen.

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6. Kinderfotos posten und mit Babywunsch versehen

Puh. Redet doch lieber einfach unter vier Augen darüber, ob und wann ihr wirklich so weit seit, liebt euch, pflanzt euch fort.

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7. Offen den*die Ex-Partner*innen dissen

Schlechter Stil. Ganz, ganz schlechter Stil. Und ein Zeichen emotionaler Schwäche.

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8. Einen eigenen, gemeinsamen Account für Pärchenkram anlegen

Der Gipfel des Social-Media-Kitsches. Aber den kann man dann wenigstens blocken. Fair enough.

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9. Sich öffentlich in Kommentaren streiten

Wenn es denn mal dazu kommt: Wozu gibt’s Telefone, Chats, Augen und Ohren! Ihr stellt euch für eure innerpaarlichen Auseinandersetzungen im echten Leben doch auch nicht extra auf den Balkon und brüllt euch an, oder?

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10. Alle noch so kleinen Geschenke fotografieren und abfeiern, von der Duftkerze bis zum Duplo

Ohne zynisch sein zu wollen, aber: Je mehr Kleinkram man postet, desto mehr Arbeit macht das Löschen nach einer möglichen Trennung … Ich sag’s bloß.

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11. Ausschließlich im Wir denken und schreiben

Nur, weil ihr zusammen seid, seid ihr nicht plötzlich nur noch ein einziges, miteinander verschmolzenes Wesen. Ihr seid doch auch vorher als Einzelmenschen ganz gut durchs Leben gekommen.

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Weniger posten, mehr leben

Weniger Pärchen-Posten ist mehr – wenn schon nicht für euren Freundeskreis, dann tut es für eure eigene Beziehung. Denn die zur Schau gestellte Dauer-Happiness birgt Gefahren. "Paare, die ein perfektes Abbild ihres Glückes inszenieren, erzeugen Erwartungsdruck an sich selbst. Abweichungen von diesem hohen Niveau werden als Schwäche erlebt", erklärt Lisa Fischbach. Dieser Druck schaffe reale Probleme. Schließlich gehöre zum normalen Paaralltag ein Auf und Ab. Die Psychologin: "Der Anspruch auf Dauerglück ist nicht konstruktiv, da viele enttäuscht werden, dieses Ziel nicht erreichen zu können."

Also, Liebe soll und will ausgiebig genossen werden – aber vielleicht ein bisschen seltener auf Instagram.

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