Kampf auf dem Eis. Das Schweizer Eishockey-Frauenteam tritt gegen das koreanische Team aus nord- und südkoreanischen Spielerinnen an. Doch das eigentliche Spektakel findet im Zuschauerraum, auf den Rängen statt. Dort sitzen knapp 230 Nordkoreanerinnen in den gleichen roten Anzügen, lächelnd, ähnlich groß, ähnlich frisiert und feuern ihr Team auf dem Eis an.

Die Frauen folgen einer strengen Choreografie, alles passiert synchron: von der Lippenbewegung bis zum Winken. Im Hintergrund sind mehrere Frauen in gelb-grünen Gewändern zu sehen, die ebenfalls synchron und perfekt aufeinander abgestimmt ihre Fächer durch die Luft schwingen lassen. Sie zücken Pappmasken und halten sie sich zeitgleich vors Gesicht, während die Gruppe ein bekanntes nordkoreanisches Lied anstimmt, natürlich auch synchron. Die Choreografie wirkt vor allem mechanisch und auf viele Zuschauer*innen befremdlich.

Die Frauen sind nicht einfach nur irgendwelche Fans. Sie gehören zur sogenannten Armee der Schönen. Sie wurden vom nordkoreanischen Regime unter Kim Jong-un nach Südkorea zu den Olympischen Spielen geschickt, um dort das koreanische Team anzufeuern, für Stimmung zu sorgen – und ein möglichst makelloses Bild von Nordkorea zu vermitteln.

Die circa 230-köpfige Gruppe ist durchaus als nordkoreanisches Propaganda-Instrument zu verstehen, sie soll Unfehlbarkeit und Perfektion widerspiegeln. Wer hier aus der Reihe tanzt, hat mit Konsequenzen zu rechnen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Gruppe auftritt: Wie die Zeitung Taipei Times berichtete, wurden 2006 insgesamt 21 Frauen in ein Arbeitslager gesperrt, weil sie nach einer Südkoreareise über das sprachen, was sie dort gesehen und erlebt hatten. Vor der Reise haben sie zusichern müssen, Südkorea trotz allem als "feindliches Gebiet" zu behandeln. Sie wurden dazu angehalten, zu schweigen.

Die Frauen sollen offenbar zudem für Ablenkung vom Sport sorgen

Offenbar soll die sogenannte Armee der Schönen nicht nur für Stimmung sorgen: Auch die Ablenkung vom eigentlichen Geschehen auf dem Spielfeld scheint gewollt. Das ist gelungen. Dass das koreanische Eishockey-Team den Schweizerinnen mit 0:8 unterlag, spielte anschließend keine Rolle in nordkoreanischen Medien. Laut der Schweizer Zeitung 20 minuten fand die hohe Niederlage in der dortigen Berichterstattung überhaupt keine Erwähnung. Die Zentrale Koreanische Nachrichtenagentur lobte stattdessen, wie das Team "mit Geschick den Puck vorantrieben, sich in derselben Sprache riefen und ihre Anstrengungen bündelten". Außerdem: Wer von der Choreografie der Gruppe spricht, kann nicht gleichzeitig von der politischen Situation in Nordkorea sprechen.

Nicht jede Frau kann und darf Teil der Gruppe werden. Wie die Deutsche Welle berichtet, ist das Auswahlverfahren hart und nicht jede erfüllt die Anforderungen: Alle Teilnehmerinnen müssen mindestens 1,63 Meter groß sein, aus regimetreuen Familien stammen und den nordkoreanischen Schönheitsidealen entsprechen. Die meisten von ihnen studieren an den Elite-Universitäten des Landes. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die Mitglieder der Truppe bereits im Kindesalter ausgesucht werden. In ihrer Heimat bespielen sie ganze Stadien.

Die Entscheidung, ein Team bestehend auf nord- und südkoreanischen Spieler*innen nach Pyeongchang zu schicken, fiel erst wenige Wochen vor dem Auftakt der Spiele. Aus diesem Grund werden dem zusammengewürfelten Team auch nicht allzu hohe Siegchancen zugerechnet. Auf Twitter haben die meisten User*innen nur Augen für das seltsam-faszinierende Spektakel auf den Rängen – auch wenn der Hintergrund nicht wirklich lustig ist.