Die sonst so trockene und unemotionale Bundespolitik verwandelt sich derzeit in eine Folge Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Wobei die schlechten Zeiten überwiegen. 

Vorhang auf.

1. Akt. Never Groko again!

Es ist September 2017. Die Wahlergebnisse sind da. Die SPD fährt mit 20,5 Prozent ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis seit der Gründung der BRD ein. Der Spitzenkandidat Martin Schulz verkündet direkt nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse, dass seine Partei auf keinen Fall erneut in eine große Koalition gehen werde. Er würde niemals Minister im vierten Merkel-Kabinett werden.

Na dann, dachte sich vermutlich die Union, die trotz herber Verluste einen Auftrag der Bevölkerung verspürt, eine Regierung zu bilden und Sondierungsgespräche mit der FDP und den Grünen startet. Eine Jamaika-Parteienkombination hat zwar noch nie in Deutschland regiert, aber viele in der Berliner Politszene sind sich sicher, dass die drei Parteien auf einen Nenner kommen werden.

2. Akt. Okay, vielleicht doch Groko

Plot twist: Christian Lindner stürmt aus der Landesvertretung der Grünen. Vor den Kameras verkündet er, dass die FDP die Sondierungsgespräche abbreche. Es sei besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren. Es herrscht große Verunsicherung darüber, was nun folgt: Minderheitsregierung? Neuwahlen? Merkel spricht sich deutlich gegen beide Varianten aus.

Auftritt Frank-Walter Steinmeier. Auch der Bundespräsident ist gegen Neuwahlen und das Experiment Minderheitsregierung. Nacheinander ruft er die Parteichefs zum Gespräch zu sich. Seiner eigenen Partei, der SPD, redet er ins Gewissen, sich auf eine erneute große Koalition einzulassen.

Plot twist: SPD, CDU und CSU starten "ergebnisoffene" Sondierungsgespräche. Das Ergebnis der ergebnisoffenen Sondierungen: Man will jetzt doch in die große Koalition.

Auftritt Kevin Kühnert. Der von den Medien überwiegend als kleiner Milchbubi behandelte Juso-Chef Kühnert schwingt sich zum Hauptagitator der 

No-Groko-Bewegung auf.

Er tourt durch die Republik und versucht SPD-Delegierte und Mitglieder davon zu überzeugen, gegen die Pläne des Vorstands zu stimmen. Er wird nicht müde zu erwähnen, dass die Möglichkeit der Minderheitsregierung nicht vom Tisch sei. Auf dem SPD-Parteitag stimmen die Delegierten jedoch knapp für den Eintritt in offizielle Koalitionsverhandlungen.

3. Akt. Gabriel versus Schulz oder die Selbstverschrottung der SPD

Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen. Der Vertrag steht.

Plot twist: Martin Schulz, der auf keinen Fall Minister im vierten Merkel-Kabinett werden wollte, soll Außenminister werden. Den Parteivorsitz soll Andrea Nahles übernehmen.

Auftritt Sigmar Gabriel. Der damit vom Amt verdrängte Ex-Außenminister Gabriel ist nur so semiokay damit, dass er nicht mehr Minister sein darf. Statt diesen Konflikt parteiintern zu regeln, trägt Gabriel ihn öffentlichkeitswirksam in den Medien aus.

Auftritt Gabriels dreijährige Tochter. Gegenüber Zeitungen der Funke-Gruppe erzählt Ex-Außenminister Gabriel, dass seine Tochter ihn folgendermaßen getröstet hätte: "Du musst nicht traurig sein, Papa. Jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht."

Auftritt Martin Schulz' Schwester (Doris Hars).

Berlin sei eine einzige "Schlangengrube", sagte sie der

Welt am Sonntag. Ihr Bruder sei nur "nur belogen und betrogen" worden.

Plot twist: Martin Schulz möchte nun doch nicht mehr Außenminister werden und zieht seine Besetzung zurück.

Kein Plot twist: Die Jusos sind immer noch gegen die Groko und damit die momentan beständigste Größe innerhalb der SPD.

Gastauftritt: Horst Seehofer, der von einem Turm mit der Aufschrift "Heimatministerium" mit einem königlichen Lächeln auf das Geschehen hinunterblickt.

4. Akt. Merkel macht's vielleicht doch selbst

Plot twist: Angela Merkel kann sich das SPD-Trauerspiel nicht mehr länger ansehen.

In einem ZDF-Fernsehinterview verkündet sie in einem fatalen Halbsatz, auch ohne Mehrheit für eine Kanzler*innenwahl zur Verfügung zu stehen. Der Satz wird so gedeutet, dass sie eine Minderheitsregierung nicht mehr ausdrücklich ausschließt. Ziel sei aber natürlich eine Mehrheitsregierung. Ob diese zustande kommt, entscheiden die SPD-Mitglieder bis zum 4. März.

Vorhang zu. Fortsetzung folgt.