Endlose Sommer am See, Lagerfeuer am Abend, jemand spielt Gitarre, die Vorlesungen sind weit weg. So war dein vergangener Sommer nicht? Tja, schade. Aber vielleicht wird in diesem Jahr alles anders.

Aber was, wenn nicht?

Mein Studium war nicht die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich erinnere mich an lange Tage, an denen ich Vorlesungen geschwänzt habe und stattdessen in der Sonne lag – und lernen musste, weil ich in meiner Freizeit gearbeitet habe. Ich hatte ständig Angst vor Klausuren. Und weil mein Freund und mein gesamter Freundeskreis in anderen Stadt wohnten, verbrachte ich in jeder Woche mindestens sechs Stunden im Zug, Verspätungen nicht mit eingerechnet. Freunde hatte ich in drei Städten – also gar keine.

Ich bin eine Uni-Versagerin

Elf Semester lang habe ich mir vor jeder Prüfungsphase eine neue Alternative für mein Leben überlegt, inklusive Gärtnerei, Anwaltskanzlei oder Auswanderung nach China. Statt in Reisen habe ich mein verdientes Geld in meine Wohnung und unnötig teure Lebensmittel investiert.

Im Grunde bin ich also eine totale Uni-Versagerin. Noten mittelmäßig, Haltungsnote: unterirdisch. Aber sollte das Studium nicht die glücklichste Zeit unseres Lebens sein? Das zumindest hatte ich in romantischen Artikeln gelesen, in Filmen gesehen und mir selbst eingebildet.

Der Eindruck entsteht schnell – vor allem, weil wir in einer Zeit des Wettkampfs um Glück leben. "Sammelt Erinnerungen, nicht Dinge", heißt das Leitmotto. Die abenteuerlichste Reise, das aufregendste Wochenende, wer am glücklichsten ist, hat gewonnen.

Wo ist denn nun dieses Glück?

Und manchmal stehen wir selbst nur daneben und haben das Wochenende mit Netflix verbracht. Gefühlt glücklich, aber ohne eine gute Geschichte, die wir erzählen können. Und im Vergleich mit den Geschichten der anderen kann das ganz schön schal schmecken.

Doch auf der Suche nach Glück in einen Abenteuer-Wettkampf einzusteigen ist auch nicht die Lösung: "Wir können Glück nicht finden, wenn wir mit aller Willenskraft danach streben", sagt der amerikanische Psychologe Dacher Keltner von der Universität Berkeley. "Wir müssen darüber stolpern und es sich entwickeln lassen." Wir müssen unser eigenes Glück finden. Im Vergleich mit Anderen wird uns das nicht gelingen.

Das kurze Glück am Noten-Aushang

Nur, wo soll dieses Glück dann herkommen? Machen Noten glücklich?, habe ich die Soziologin und psychologische Beraterin Sabine Stiehler gefragt. "Nein", sagt sie, "höchstens kurzfristig, aber nicht länger." Dafür sei unser Glück von zu vielen anderen Faktoren abhängig. Gute Noten ersetzen kein sicheres soziales Netz und trösten auch nicht bei Heimweh oder Liebeskummer.

Okay, die Welt ist halt hart und wir sind nicht an der Uni, um glücklich zu werden. Schlechte Noten können aber ganz schön unglücklich machen. Stiehler leitet die Beratungsstelle des Studentenwerks Dresden und erzählt von einem "emotionalen Knick", den jungen Studenten manchmal erleiden. "Der Studienstart ist eine sensible Phase. Plötzlich muss sich jemand, der Einser-Noten gewohnt ist, mit einer Zwei oder Drei abfinden." Darauf hat uns in der Schule niemand vorbereitet.

Wer bringt mir das mit dem Glück denn jetzt bei?

Tatsächlich tut die Uni das – nur bekommen wir keine Credits dafür. Trotzdem lernen wir an der Uni fürs Leben, erläutert Dacher Keltner. Er versucht herauszufinden, was Menschen glücklich macht und ein Buch darüber geschrieben, Born to be Good: The Science of a Meaningful Life. So kann Glück nämlich auch funktionieren: Wer anderen gibt, der fühlt sich besser. Damit schlägt der Flyer verteilende und Unterschriften sammelnde Öko-Gutmensch schon mal die Gitarristin am Lagerfeuer.

Bei Keltner kann man wirklich das Glück studieren. Allerdings von der wissenschaftlichen Seite: in Berkeley gibt es das Greater Good Science Center, das unser Glück psychologisch, neurologisch und biologisch untersucht.

Was Studenten nach Keltners Erfahrung glücklich macht? "Die Verbindung mit Anderen, über Stress lachen, zusammen arbeiten, unsere Lebensgeschichte erzählen", sagt er. Das soziale Biotop Universität lehrt also vieles, was uns glücklicher macht.

Doch der zweite Knick droht zum Ende des Studiums, wenn aus Freund*innnen und Kommiliton*innen plötzlich Konkurrierende um begrenzte Masterplätze werden. "Studierende vergleichen sich heute viel mehr, als vor 20 Jahren", sagt Beraterin Stiehler. Macht der Masterplatz dann glücklich? "Nein", sagt sie. Denn der Erfolg fühle sich fremdbestimmt an, mehr "Glück gehabt", als "ich bin glücklich".

Dann lieber Lagerfeuer?

Den Masterplatz muss man sich erst einmal leisten können. 63 Prozent der Studenten arbeiten nebenbei, schätzen die deutschen Studentenwerke. Und arbeiten müssen sie auch. Denn Geldsorgen machen unglücklich. Britische Sozialwissenschaftler fanden heraus, dass Menschen mit weniger Schulden glücklicher sind. Sie schlafen besser und leiden auch seltener an Depressionen oder Angstzuständen. Es ist eine gewisse Sorglosigkeit, die Studenten brauchen, um eine glückliche Studienzeit zu haben. Und sie brauchen bessere Finanzierungsmöglichkeiten als einen Job, der sie von ihren Freunden fern hält oder BAföG, das sie später zurückzahlen müssen.

Günter Reich leitet die Psychotherapeutische Beratungsstelle der Universität Göttingen. Etwa jeder Dritte, der in Reichs Beratungsstelle kommt, fühlt sich sozial isoliert. "Mit einem Netz von Freunden kommt man besser durchs Studium", sagt er. Auch die Familie oder ein Partner seien gut darin, junge Menschen zu stützen.

Es läuft also immer wieder auf diese Aspekte hinaus: Finde Freunde. Erlebe etwas. Erzähle deine Geschichte. Hilf anderen. Vielleicht sollten wir uns wirklich alle ans Lagerfeuer setzen. Leider kollidiert das in vielen Fällen mit der Finanzplanung und der Angst vor dem Scheitern.

Kann ich bitte später auch noch glücklich sein?

Wenn das mit dem glücklichsten Sommer aller Zeiten während der Uni nicht klappt, weil du verdammt nochmal andere Sorgen hast, hey, dann mach es wann anders. Ich kann mein Studium rückwirkend nicht mehr zur besten Zeit meines Lebens machen, auch wenn ich einige Sorgen heute deutlich entspannter sehe.

Was ich aber weiß: Wüsste ich, die glücklichste Zeit meines Lebens hinter mir zu haben, wäre ich verdammt traurig. Vielleicht wird dieser Sommer der Sommer meines Lebens? Der vergangene war auch schon ziemlich gut – und der erste Sommer nach der Uni, der erste im Job, der bestand aus langen Touren über Land, spannenden Geschichten, interessanten Menschen. Schwer zu schlagen.