Welche Regierung wählst du, wenn du die Grünen wählst? Spoiler: Niemand weiß es. Ein Kommentar.

Seit der Klatsche, die die Grünen bei der letzten Bundestagswahl bekommen haben, ist die Ökopartei auf einem Selbstfindungstripp. Wer ist man eigentlich? Welche Wählerschaft spricht man an?

Am Mittwoch stellten die Spitzenkandidat*innen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt (KGE) einen 10-Punkte-Plan für eine grüne Regierung vor (PDF). Er soll die wichtigsten Forderungen für die Bundestagswahl zusammenfassen. Aber gibt er auch einen Hinweis darauf, mit welchem Koalitionspartner die Grünen diese Forderungen am ehesten umsetzen möchten?

Nach Studieren des 10-Punkte-Plans scheint die Antwort zu lauten: Wurst, Hauptsache regieren.

Die Grünen züngeln in der Ecke heimlich mit Schwarz-Gelb

Vorbei sind die Zeiten, in denen eine schwarz-grüne Koalition undenkbar war und man SPD und Grüne als untrennbares Duo wahrgenommen hat. Klar, Sozialdemokraten und Grüne haben immer noch viele gemeinsame Forderungen: etwa mehr Geld für Kitas und Schulen, das Bekämpfen der Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern sowie die Garantie, in eine Vollzeitstelle zurückkehren zu können.

Im 10-Punkte-Plan liest man jedoch Sätze, bei denen man kurz irritiert nach oben scrollen möchte, um zu schauen, ob man nicht im Wahlprogramm der CSU gelandet ist. "Wer anpackt für unsere gemeinsame Heimat, gehört dazu" oder "Wir sorgen dafür, dass die Polizei zur Erfüllung ihrer wachsenden Aufgaben gut ausgestattet ist, um effektiv schützen zu können".

Der 10-Punkte-Plan wirkt wie ein Friedensangebot an Schwarz-Gelb. Man findet darin wenig linke Kernthemen wie Reformen in der Steuer- oder Sozialpolitik. Auf dem letzten Parteitag beschloss die Basis beispielsweise die Einführung einer Vermögenssteuer. Es ist quasi undenkbar, diese Forderung mit Union und FDP umzusetzen und – surprise! – sie hat es nicht in den 10-Punkte-Plan geschafft. Andere Tabuthemen für die Union fehlen ebenfalls, beispielsweise die Reform des Ehegattensplittings oder Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger*innen.

Rechts, links? Wurst.

Den Fokus beim diesjährigen Bundestagswahlkampf legen die Grünen auf ökologische Themen. Die ersten drei Punkte im 10-Punkte-Plan betreffen Klimaschutz, E-Mobilität und Landwirtschaft. Inwieweit die SPD einwilligt, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten, ist zumindest mal fraglich – schließlich sieht sich die SPD als die Partei, die die Interessen der Arbeiter*innen vertritt. Wahrscheinlicher ist, dass sich die umweltpolitischen Ziele mit Union und FDP realisieren lassen.

Die Grünen sagen, dass sie den Stillstand der Großen Koalition beenden wollen. Und das können sie nur, indem sie entweder mit der Union oder der SPD in den Regierungssack hüpfen. Koalitionsgespräche hat die Umweltpartei bisher lediglich mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. Mit allen anderen sei man bereit zu reden. Und so liest sich auch der 10-Punkte-Plan: Für alle was dabei. Aber hey, bourgeoise Zweierbeziehungen sind eh super zweitausendundout, es lebe die Polyamorie (ze.tt berichtete)!

Stellt sich als Wähler*in jedoch die Frage, warum man die Grünen überhaupt wählen soll. Möchte man eine Jamaika-Koalition sollte man seine Stimme besser der FDP geben, schließlich besteht bei den Grünen die Gefahr, dass sie mit dem linken Lager koalieren. Möchte man Rot-Rot-Grün, sollte man aus derselben Gefahr seine Stimme besser den Linken geben. Und wenn man Team GroKo ist, braucht man die Grünen sowieso nicht wählen.

Für alle, die sich für die nächsten vier Jahre eine Regierung mit einer klaren politischen Linie wünschen, sei es rechts oder links, sind die Grünen der Risikofaktor. Sie sind die Partei für all jene, denen der Unterschied zwischen rechts und links eigentlich egal ist, solange sie sich ihr Elektroauto leisten können.