Was ist angemessene Kleidung? In Magazinen, an Schulen, selbst am Arbeitsplatz wird immer wieder diskutiert, wie insbesondere Frauen sich kleiden dürfen und wie nicht. Nun redet die Welt wieder einmal über die Kleiderwahl einer Frau. Dieses Mal geht es um Melania Trump. Doch im Gegensatz zu vergangenen Empörungswellen handelt es sich dieses Mal um mehr als bloße Kleiderregeln: Nachdem in den vergangen Tagen die Enthüllungen um die Zustände in den sogenannten Separation Camps an der Grenze zwischen den USA und Mexiko international schockierten und für Entrüstung sorgten, reagierte Donald Trump und erließ am Mittwoch per Dekret, dass Familien bei der Einwanderung nicht mehr voneinander getrennt werden sollen. Wie Kriminelle sollen sie in Zukunft trotzdem noch behandelt werden.

Um die Zustände in den Aufnahmezentren zu begutachten, in denen von ihren Eltern getrennte Kinder nun darauf warten, zu ihren Eltern zurückkehren zu dürfen, reiste Melania Trump gestern spontan an die mexikanische Grenze um eines der Heime zu besichtigen.Was eine nette Geste der First Lady hätte sein können, sorgte durch einen problematischen Schriftzug auf ihrer Jacke für eine neue Welle der Empörung. Trump trug bei ihrer Reise zu dem Zentrum eine Jacke, auf der in großen Buchstaben zu lesen war: "I really don't care – do you?", auf Deutsch etwa "Mir ist es völlig egal – und euch?". Ein denkbar unsensibler Spruch – insbesondere wenn man die Bilder von verzweifelten, weinenden Kindern in texanischen Käfigen betrachtet, die kürzlich an die Öffentlichkeit gelangten.

Dress to impress

Die US-Amerikaner legen einen besonderen Fokus darauf, wie und womit sich die First Lady kleidet. Während der Präsident nach seinen politschen Äußerungen oder wenigstens nach aus dem Ruder gelaufenen Tweets beurteilt wird, gilt bei der First Lady vor allem: Was trägt die Frau? Als Michelle Obama ihre trainierten Arme in ärmellosen Kleidern zeigte, regten sich Menschen darüber auf, dass ihr Körper zu unweiblich sei und diese Art, sich zu präsentieren nicht der Frau eines US-Präsidenten angemessen. Beschwichtigen konnte Michelle Obama höchstens noch damit, dass sie bevorzugt US-amerikansiche Designer*innen trug.

Und auch Melania Trump wurde in der Vergangenheit immer wieder für ihre Kleiderwahl kritisiert. Nachdem der Hurrikan Harvey im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Häuser beschädigte, stand beim Besuch von Melania und ihrem Mann Donald vor allem eins im Fokus: Die Stilettos, in denen die First Lady zwar nicht erschien, aber in die Air Force One stieg, die sie an den Unglücksort brachten. Auch nachdem sie ihre Schuhe gewechselt hatte, gab es genug wachsame Beobachter*innen, die auf etwaige Fashion-Fauxpas Acht gaben und zum Beispiel auf Melania Trumps "stilistische Selbstüberhöhung" hinwiesen, die sie geschickt hinter einem hochgestellten Kragen versteckt hatte.

Wie man es macht, macht man's verkehrt. Frauen wie Melania Trump, bekannt als "die Frau von ..." werden durchgängig darauf reduziert, was sie tragen, wie sie es tragen. Es ist ein ewiger Kampf, in dem es kein Richtig, sonder nur viel Falsches gibt. Und trotzdem, dieses eine Mal ist es angemessen, über die Kleidung von Melania Trump zu sprechen. Nicht, weil sie sich nicht an irgendwelche Stilregeln gehalten hat. Sondern, weil das Statement auf ihrer Jacke von einer bodenlosen Ignoranz zeugt.

So werden unmenschliche Signale in die Welt gesendet

Der Sprecher der First Lady wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass es sich nur um eine Jacke handle und man keine versteckte Aussage dahinter suchen solle. Man hoffe, die Medien würden sich auf die Relevanz des Besuches konzentrieren und sich nicht an der Jacke aufhängen. Eine geradezu naive Aussage, sollte doch insbesondere den Berater*innen von Melania Trump bewusst sein, wieviel Bedeutung der Bekleidung der First Lady beigemessen wird.

Frauen auf ihre Kleidung zu reduzieren ist falsch. Aber wer im Fokus der Öffentlichkeit steht, sollte beim Griff in den Kleiderschrank darauf achten, keine unmenschlichen Signale in die Welt zu senden – und so unter Umständen die eigenen Bemühungen selbst zu delegetimieren.