In der Serienadaption des Bestsellers von Celeste Ng brennt es. Das Haus in Flammen ist aber nur die Initialzündung für eine Geschichte über Alltagsrassismus, White Supremacy und Colorblindness. Eine Kritik

"Ich wollte für zu Hause jemanden einstellen, der etwas Ordnung hält, sauber macht, die Wäsche – vielleicht auch kocht", sagt Elena mit einem Lächeln zu Mia. "Sie meinen ein Dienstmädchen?", fragt diese. In dem Moment dämmert es Elena, dass sie vielleicht etwas Blödes gesagt hat, etwas Undurchdachtes gar. Aber etwas Rassistisches? Niemals. Denn Elena sieht sich als liberale Amerikanerin, großzügig und tolerant gegenüber allen. Da macht es doch keinen Unterschied, dass Mia Schwarz ist. Wäre es "nicht viel eher rassistisch sie nicht zu fragen, weil sie Afroamerikanerin ist?"

Was rassistisch ist, wird nicht erst seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd, der am 25. Mai bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis getötet wurde, diskutiert. Doch das Thema Rassismus erhält seitdem wieder mehr Aufmerksamkeit. In sozialen Medien zeigen sich Viele mit Hashtags und geschwärzten Profilbildern solidarisch und plädieren dafür, das eigene Weißsein und die damit verbundenen Privilegien zu hinterfragen. Das erfordert ein erhöhtes Maß an Selbstreflexion und die ist nicht einfach. Die Serie Little Fires Everywhere könnte dabei helfen. Sie zeigt, dass Alltagsrassismus, White Supremacy und Colorblindness keine durch Social Media gehypten Phänomene, sondern strukturell tief verankert sind.

Als Vorlage für die achtteilige Produktion diente der 2017 erschienene Bestseller von Celeste Ng, der die scheinbar liberale, moderne und aufgeklärte Gesellschaft der USA in den Neunzigerjahren in Frage stellt. Gemeinsam mit Produzentin Liz Tigelaar und der kürzlich verstorbenen Regisseurin Lynn Shelton hat Reese Witherspoon Ngs Roman auf die Streaming-Leinwand gebracht. Wie bereits in ihrem Projekt Big Little Lies nutzt Witherspoon auch diesmal ein Verbrechen als Ausgangspunkt. Ein Brand – nicht klein, wie der Titel vermuten lässt – lädt die Zusehenden zu Spekulationen ein.

Wenn der American Dream brennt

Denn gleich zu Beginn brennt das Anwesen der Richardsons – einer US-amerikanischen Vorzeigefamilie: Vater, Mutter, vier jugendliche Kinder. Wohlhabend, angesehen und weiß. Nun stehen sie vor den Trümmern ihres perfekten Lebens.

Die Haupthandlung setzt vier Monate vor dem Feuer ein. Elena Richardson (Reese Witherspoon) lebt mit ihrer Familie in Shaker Heights, Ohio, einer Planstadt, die vor allem durch Regeln und Ordnung besticht. Reglementierte Rasenlänge und patrouillierender Sicherheitsdienst inklusive. Vor dem Perfektionsdrang, der hier herrscht, sind auch Elenas Kinder nicht gefeit. In Gestalt der überfürsorglichen Mutter und Hausfrau mit Job – Elena arbeitet in Teilzeit als Lokalreporterin – hegt sie ungesund hohe Erwartungen an ihren Nachwuchs. Dagegen rebelliert vor allem die jüngste Tochter Izzy (Megan Stott), die sich die Haare anzündet und ihre Möbel schwarz bemalt.

Als in dem stadtgewordenen American Dream ein verbeultes und zugemülltes Auto auftaucht, schlägt Elena sofort Alarm. In ihm schlafen Mia Warren (Kerry Washington) und ihre 15-jährige Tochter Pearl (Lexi Underwood). Die beiden reisen durch die Staaten, sind meist nur für kurze Zeit an einem Ort. Mia ist freischaffende Künstlerin und zieht ihre Tochter allein auf. Elena vermietet ihnen daraufhin ein Haus weit unter dem eigentlichen Mietpreis. Das Lob, das sie daraufhin von einer Freundin für ihre selbstlose Großzügigkeit bekommt, geht ihr runter wie Öl. Überhaupt ist Elena besonders wichtig, dass andere sehen, was sie selbst längst internalisiert hat: Sie ist ein guter Mensch.

Sie sieht kein Problem darin, Mia wie eingangs beschrieben einen Job als Haushälterin anzubieten. Im Gegenteil, deren verärgerte Reaktion auf das Jobangebot empfindet Elena als undankbar. Sie wollte doch nur helfen. Als ihr Mann darauf hinweist, Mia könne das Angebot als rassistisch empfunden haben, ist Elena schockiert. Als progressive US-Amerikanerin kann sie doch gar nicht rassistisch sein. Oder? Schließlich ist die älteste Tochter sogar mit einem "African American" zusammen und überhaupt ist Elena schließlich schon mit Dr. King marschiert.

Mias mangelnde Dankbarkeit lässt Elena zu dem Schluss kommen, dass mit dem Neuankömmling etwas nicht stimmt. Mithilfe ihrer guten Kontakte lässt sie sich deshalb deren Vorstrafenregister zukommen. Als dies nichts zutage fördert, gräbt sie weiter in Mias Vergangenheit, bis sie endlich etwas findet, das ihre unterschwellig vorherrschenden Vorurteile bestätigt.

Colorblindness und fehlende Aufarbeitung

In ihrem Buch Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten schreibt die Autorin Alice Hasters über BIPoC-Charaktere in Filmen und Serien: "[Sie] wirken selten vollkommen menschlich. Ihre Perspektive ist schwer zu fassen [...], Demütigungen von weißen Menschen quittieren sie nie mit Wut, sondern mit Weisheit und Güte."

In diese Falle tappt Little Fires Everywhere nicht. Zwar sind die Charaktere auf den ersten Blick arg überzeichnet, einander aber emotional nicht unterlegen. Elena und Mia ecken beieinander an, werden laut und wütend. Das liegt auch daran, dass sich Mias Tochter Pearl zum Leben der Richardsons hingezogen fühlt, während Elenas Tochter Izzy ihre Freizeit lieber bei Mia verbringt. Die Dynamik zwischen den Müttern und Töchtern wird zur treibenden Kraft im Handlungsverlauf.

Die Situationen, in denen hier Alltagsrassismus auftritt, sind klar und deutlich und helfen, die paternalistischen Strukturen der USA und ihre Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft zu erkennen. Das ist nicht immer angenehm. Gerade im Hinblick auf die Geschehnisse rund um den Tod von George Floyd lässt sich der Wahrheitsgehalt der Story aber nicht ignorieren. Einem weißen Publikum kann die Serie dabei helfen, sich der eigenen Privilegien bewusster zu werden und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

Zu sehen ist Little Fires Everywhere im Stream auf Amazon Prime.