Martin Schulz wirft Menschen schonmal aus dem Saal, wenn es ihm zu rechts wird. Als er den griechischen Politiker Eleftherios Synadinos galant des EU-Parlaments verwies, weil dieser Türken als "dreckige Barbaren" bezeichnete, wurde europaweit über ihn gesprochen. Mit ihm gebe es sowas dort nicht, sagte Schulz damals.

Der Präsident des EU-Parlaments in Brüssel ist ein good guy. Einer, dem man Vertrauen schenkt und gerne zuhört. Seine Reden begeistern die Parlamentarier*innen regelmäßig, minutenlanger Applaus ist keine Seltenheit. Das hat seinen Grund.

Er findet Pointen und immer auch das richtige Maß an Emotionalität. Erst kürzlich hielt er eine flammende Rede für Europa und gegen Ausgrenzung. Schulz spricht die Dinge offen an: Er sagt, dass wir unsere Demokratie nicht von medial präsenten Splittergruppen verzerren lassen sollten, "Ostdeutschenbashing" Blödsinn ist und Google nicht mehr Einfluss auf unser Leben haben sollte, als wir selbst.

Wie er heute morgen in Brüssel bestätigte, geht er jetzt nach Berlin. Er möchte von dort aus auf nationaler Ebene für Europa kämpfen. In SPD-Kreisen wird er schon lange als mögliche Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier als Außenminister gehandelt – oder als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2017. Er wäre die richtige Wahl dafür. Denn im Gegensatz zu Sigmar Gabriel weiß Schulz um die Kraft der Contenance.

Ein echte Alternative

Gabriel, der als Vize-Kanzler das Vorrecht in der Kanzler-Frage hat, entgleist gerne mal. Dann zeigt er Menschen öffentlich den Mittelfinger. So verständlich und menschlich die Reaktion in der Situation auch gewesen sein mag; ein Kanzler muss Format, Integrität und Distanz wahren können.

Anders Schulz: Als beispielsweise Donald Trump zum kommenden US-Präsidenten gewählt wurde, war er einer der ersten, der sich dazu äußerte. Er drückte sich gewohnt bestimmt, aber differenziert aus: Er freue sich natürlich nicht darüber, schließlich habe die USA nun einen waschechten Populisten als Präsidenten. Dennoch müsse man auch Trump mit Respekt behandeln – sofern er diesen Europa ebenfalls entgegenbringe.

Mit Schulz hat die SPD nicht nur eine echte Alternative zu Sigmar Gabriel – sondern auch zu Angela Merkel, die sich 2017 für eine weitere Periode zur Wahl stellen lässt. Schulz ist Europapolitiker durch und durch – er weiß, wie der Hase dort läuft. Internationale Offenheit und Sicherheit liegen ihm am Herzen. Gleichzeitig weiß er auch um die Probleme der Kommunen – im kleinen Ort Würselen bei Aachen war er von 1987 bis 1998 Bürgermeister und Buchhändler. Der 60-Jährige gilt als belesen und beherrscht sechs Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch.

Während seiner Zeit in Brüssel und Straßburg schärfte Schulz sein außenpolitisches Profil und wurde in Deutschland bekannter. Auch weil er kein Blatt vor den Mund nimmt. Das könnte ein entscheidender Vorteil im Kampf gegen den erstarkenden Rechtspopulismus sein: Schulz könnte ihn mit eigenen Waffen schlagen. Die Politiker der AfD betreiben eine Politik der Emotionen – ein Mittel, das auch Schulz beherrscht. Angela Merkel hingegen ist nicht gerade dafür bekannt, emotional aufzurütteln.

Das Herz jedenfalls hat Schulz, der seit 1974 SPD-Politiker ist, am moralisch rechten Fleck. Schon als Bürgermeister kämpfte er um die Integration von Geflüchteten. Mit ihm als Kanzlerkandidat wäre die SPD 2017 tatsächlich wählbar.

Eine andere Meinung vertritt übrigens die Kollegin Lisa Caspari von Zeit Online. Für sie wäre Martin Schulz zwar ein brillanter Politiker. Doch die SPD würde ihn verheizen, wenn er die Bundestagswahl verlieren würde – weil seine politische Karriere danach am Ende wäre. Er solle sich im nächsten Kabinett als Außenminister zunächst verdingt machen. Die Kollegin wünscht sich eine Doppelspitze: Gabriel als Kanzler, Schulz als Außenminister. Wie ist eure Meinung?