Alina Oswald fotografierte für ihr Projekt Moments nicht nur Männer. Da wir Frauen während des Orgasmus bereits mehrmals porträtierten (zum Beispiel hier und hier), haben wir beschlossen, diesmal nur Männer zu zeigen.

Es ist ein emotional hoch intensiver und doch sehr vergänglicher Moment. Ein Moment, in dem der Körper einem natürlichen Reflex unterliegt und jegliche Kontrolle reinem Verlangen und Genuss weicht. Herzfrequenz und Blutdruck erhöhen sich, wir atmen schneller, der Körper schüttet Hormone aus, selbst unsere Pupillen weiten sich ein wenig. Wir stöhnen, wir verzerren das Gesicht, wir kommen.

Erst mal da gewesen, hört das Feuerwerk im Kopf schnell wieder auf. Jetzt müssen wir uns erholen, den wir sind k.o. gegangen. Die Zeit, in der ein weiterer Orgasmus zumindest physiologisch nicht möglich ist, heißt Refraktärphase. Bei Männern dauert diese Phase länger als bei Frauen. Fachlich ist dann von stark verminderter Erregbarkeit und postkoitaler Müdigkeit die Rede. Dieses Verlangen nach Erholung kann wenige Minuten, aber auch mehrere Tage dauern.

Gerade weil der Moment des sexuellen Höhepunkts so besonders ist, wollte ihn Alina Oswald mit ihrer Kamera einfangen. "Der Moment ist so kurz und trotzdem mit so viel Emotion gefüllt. Das möchte ich darstellen. Es geht mir um die Wahrhaftigkeit dieses einen Moments. Keine Posen, keine Präsentation des Selbst, keine Maske, keine Show. Wahrhaftiger als beim Orgasmus wird ein Mensch nicht", sagt die 25 Jahre alte Fotografin aus München.

Bitte nicht ankommen

Teilnehmer*innen für das Projekt Moments zu finden, sei leichter gewesen als gedacht, sagt Oswald. Sie begann, Freund*innen und Bekannten von ihrem Projekt zu erzählen. Schnell erzählten die ihren Freund*innen davon und schließlich bekam sie auch viele Anfragen von Menschen, die sie nicht kannte. Problematischer war, dass viele Männer ihr Projekt nicht ernst genommen hätten. "Es gab sehr viele versaute Anfragen von Männern, denen es nicht um Kunst oder Fotografie ging", erzählt Oswald. Das sei besonders frustrierend gewesen.

Denn Ziel war es, den Blickwinkel auf die Sexualität zu weiten. Weg von der Ebene der körperlichen Triebe, hin zu den Energien, die auch ohne Interaktion spürbar seien. Weg von einer ständigen Sexualisierung, hin zur Ästhetik der Lust.

Oswald zog für ihr Projekt von Wohnung zu Wohnung, im eigenen Zuhause fühlten sich die Personen schließlich am wohlsten. Waren anfängliche Anspannungen und Unsicherheiten erst mal abgebaut, befriedigten sich die Teilnehmer*innen selbst. Manchmal mit Hilfsmitteln, manchmal ohne. Sei es Sexspielzeug, ein Film oder Bilder, jede*r tat, wie es am besten funktionierte. Ob Oswald auch während dieses Prozesses im Raum blieb und fotografierte oder erst kurz vor dem Höhepunkt den Raum betrat, entschieden ihre Protagonist*innen selbst. Oswald erinnert sich an einen witzigen Moment: "Einmal ging mein Akku mitten während eines Shootings leer und ich sagte dem Model 'Könntest du weitermachen, aber nicht kommen?'. Wir haben beide gelacht."

Face only

Um den Fokus auf die Emotion zu legen, welche der Mensch bei einem Höhepunkt zeigt, ist auf den meisten Fotografien nur das Gesicht zu sehen. Hinterher waren die Teilnehmer*innen von ihrem Foto meist sehr überrascht. Da nur die wenigsten den eigenen Gesichtsausdruck beim Orgasmus kennen, war es eine neue Erfahrung, das eigene Selbst in einem derart intensiven, unkontrollierten Zustand zu erleben.

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