Den ganzen Tag vorgebeugt am Schreibtisch sitzen, abends direkt auf die Couch rollen, dann ins Bett krabbeln und repeat – kein Wunder, dass Rückenschmerzen so verbreitet sind. Drei Viertel aller Berufstätigen leiden an der Wirbelsäule, mehr als 80 Prozent der Deutschen haben mindestens einmal im Leben so richtig schlimm Rücken und laut DAK-Gesundheitsreport sind Rückenschmerzen der zweithäufigste Krankschreibungsgrund.

Die Ursachen sind so vielfältig wie die Rückenschmerzen selbst: Arbeiten in falschen, unbequemen Körperhaltungen, zu wenig Bewegung und zu viel Rumsitzen, eine schlechte Work-Life-Balance, zu viel Stress und Druck.

Sitzen ist ein Hauptgrund für Rückenschmerzen

"Der Grund Nummer eins für Rückenschmerzen mit viel Abstand ist das Sitzen", sagt der Hamburger Bewegungstherapeut und Buchautor Arlow Pieniak. "Beim Sitzen passieren ganz viele Dinge, die nicht gut für den Körper sind. Aber es geht ja oft leider nicht anders. Dabei sind Nacken-, Schulter- und Brustbeschwerden das häufigste und auch quälendste Rückenproblem, weil man da keine Ruheposition findet."

Bei fünf bis sieben Prozent der Betroffenen werden die Rückenschmerzen irgendwann chronisch. Doch das muss nicht sein – schon mit ein wenig Einsatz kannst du Rückenschmerzen mildern. Hier sind ein paar Übungen sowohl vom Hamburger Bewegungstherapeuten als auch vom Rückenzentrum Berlin, die akut helfen und die du auch im Büro machen kannst. Für einige davon sind ein paar kleine Hilfsmittel nötig – ein Tennisball oder ein Türrahmen tun's auch.

1. Mit dem Ball Schulterrollen

Schulter-Aua? Lege einen (Tennis-)Ball unter dein Schulterblatt. Dann entweder in Rückenlage auf den Boden oder, mit weniger Druck, den Ball zwischen Wand und Schulter positionieren. Dann halte auf dem Schmerzpunkt mindestens 90 Sekunden und bewege dich langsam nach rechts, links, oben und unten. Versuche, dich dabei zu entspannen und nicht mit der Muskulatur dagegen zu halten.

2. Innenrotation Schulter

Startposition: auf dem Rücken liegend, Knie angewinkelt. Den Arm der zu mobilisierenden Seite anwinkeln und den Handrücken unter die Lendenwirbelsäule legen. Arm- und Schultermuskulatur entspannen. Nach etwa einer Minute versuchen, die Schulter bewusst, aber sanft, nach unten zu drücken/ ziehen. Der Druck des Handrückens gegen die Lendenwirbelsäule wird sich dabei wahrscheinlich erhöhen. Endposition: auf dem Rücken liegend, die Schulter des angewinkelten Armes ist etwas tiefer gesunken als in der Startposition begonnen. Im Idealfall liegt die Schulter, also das äußerste Ende des Schulterdachs, auf dem Boden.

3. Brustdehnung mit beiden Armen

Halte dich an einem unbeweglichen Gegenstand fest, zum Beispiel im Türrahmen. Beide Arme sind auf Brusthöhe horizontal nach hinten gestreckt, der Kopf gerade. Bringe den Oberkörper vor und die Füße hinter die Hände, der Körperschwerpunkt liegt dann vorn. Beginne nun aktiv, deine Arme zu beugen und die Ellenbogen nach unten zu ziehen. Mache langsame Bewegungen und spüre die Dehnung in der Brustmuskulatur.

4. Nacken strecken

Wer oft nach vorn gebeugt sitzt: Einmal aufrecht hinsetzen, dann das Kinn etwas nach hinten schieben und den Nacken lang machen.

5. Halswirbelsäulen-Halbkreis

Geht im Stehen oder Sitzen: Das Kinn auf das Brustbein legen, dann den Kopf langsam nach links drehen, bis der Blick über die Schulter geht, und dann über die Mitte wieder nach rechts. Langsam ist hier wichtig.

6. Oberkörper drehen

Setz dich gerade auf deinen Stuhl, lege das linke Bein über das rechte, fixiere das linke Knie mit der rechten Hand. Dann legst du die linke Hand über die rechte und führst den linken Arm langsam gestreckt diagonal nach hinten oben. Kurz halten. Danach umgekehrt bzw. Seitenwechsel.

7. Brustwirbelsäule beugen und strecken

Setz dich auf deinen Stuhl, lege die Hände übereinander und schiebe deine gestreckten Arme nach vorne, der Kopf bleibt zwischen den Armen, das Kinn geht Richtung Brust. Dabei die Brustwirbelsäule rund machen und langsam die Hände nach vorne ziehen. Dann wechseln, dafür die gestreckten Arme nach hinten nehmen – wer's schafft, kann auch hier die Hände zusammen lassen – Kopf bleibt gerade, das Brustbein heben und die Wirbelsäule strecken.

8. Brustwirbelsäule strecken

Setze dich locker auf deinen Stuhl, nimm die Arme in den Nacken, die Ellenbogen zeigen nach vorn, nicht zur Seite. Dann nach vorne beugen, den Rücken rund machen und die Brustwirbelsäule leicht im oberen Bereich beugen. Anschließend langsam wieder aufrichten, die Ellenbogen zur Seite nehmen, während die Hände unverändert im Nacken bleiben, das Kinn geht nach oben – und die Brustwirbelsäule wird gestreckt.

9. Stützen

Setze dich auf einen Stuhl mit Armlehne, lege deine Hände auf die Lehnen und drücke dann mit den gestreckten Armen den Oberkörper nach oben, die Schultern bleiben dabei unten.

Die Übungen können fünfzehn- bis zwanzigmal wiederholt werden. "Einmal pro Stunde solltest du eine aktive Pause am Bildschirm machen", sagt die Ergonomieberaterin und Physiotherapeutin Frauke Dölp vom Rückenzentrum Berlin. Also aufstehen, rumlaufen, Kaffee holen – Hauptsache, Bewegung!

Auf den Körper achten

Langfristig ist es jedoch durchaus sinnvoll, sich mal das eigene Bewegungsmuster und körperliche Gegebenheiten genauer anzuschauen. Ist das Becken zu weit vorn oder ein Bein einen Hauch kürzer als das andere? All das wirkt sich auf den Rücken aus.

Darüber hinaus hilft natürlich Sport dabei, Rückenschmerzen zu vermeiden. Logisch, eine gute Muskulatur stützt die Wirbelsäule. Aber auch Treppen steigen, Fahrrad fahren und spazieren gehen sind von Vorteil. Mag sein, dass die Evolution in den nächsten 10.000 Jahren für eine veränderte Wirbelsäule sorgt. Aber bis dahin ist es noch sehr, sehr lange hin. Oder wie Bewegungstherapeut Arlow Pieniak sagt: "Der Mensch ist nicht fürs Sitzen gemacht."