Twerk-King

Seine Karriere begann schon in der Schule als Klassenclown. Jetzt ist er der Bürohengst, der jedem einen Brüller hervorlocken will. Wenn niemand lacht, macht er es halt selbst. Die Weihnachtsfeier ist seine Bühne. Endlich finden seine Witze Gehör, niemand kann Termine oder Deadlines vortäuschen, also setzt er ein Meeting auf dem Dancefloor an: "10 Uhr in der Mitte!"

Pünktlich erscheint er volltrunken und aufmerksamkeitsdurstig und gibt damit an, was er kann. Er tanzt, swingt, twerkt als gäbe es kein Morgen. Es ist seine Nacht.

Der Unsichtbare

Er ist dieser nette Kollege, den alle mögen. Er ist aber auch der, dessen Namen einem manchmal entfällt, weil er so unauffällig ist. Er ist sozialängstlich und schüchtern. Die Weihnachtsfeier ist sein Endgegner: gefangen mit den Leuten, die ihn eh schon die ganze Woche umzingeln, nur noch aufdringlicher, vom Alkohol völlig entfesselt. Weil er keine passende Ausrede gefunden hat, muss er auf der Feier erscheinen.

Da steht er nun allein mit seinem Weinglas. Er trinkt still. Kolleginnen kommen vorbei, um ihn kennenzulernen. Nett nicken. Nippen. Der Chef klopft auf die Schulter, als würde er seine Anwesenheit honorieren. Nett nicken. Nippen. Und bevor er zehn volle Sätze gesprochen hat, ist die Flasche leer. Der Alkohol und die Stimmung steigt ihm zu Kopf. Unauffällig schwankt er los, vorbei an der Tanzfläche, Richtung Toilette, Richtung Garderobe, Richtung Ausgang, Richtung Taxi, Richtung Bett.

Die Praktikantin

Sie ist die jüngste im Team, hat sich monatelang für einen Hungerlohn abgerackert, um ihren Lebenslauf aufzupolieren. Ihren Hunger stillt sie jetzt auf der Feier. Da ihre Tage im Büro bald gezählt sind, nutzt sie ihre Chance: Sie ist die Erste und Letzte am Buffet. Schaufelt sich alles rein, was sie greifen kann. Im Gefühl, niemals wieder so einen teuren Wein trinken zu können, ext sie die guten Tropfen. Sie eröffnet die Tanzfläche, fummelt mit dem DJ und wird von den Putzkräften nach Hause geschickt.

Eigenbrötler

Sobald die festlichen Reden vorbei sind, lässt er sich an der Bar nieder. Dort sitzt er den kompletten Abend, in sein Bier starrend, einsilbig murrend, sofern ihn jemand anspricht.

Die Soziale

Sie schafft es gekonnt wie niemand sonst, andere in Gespräche über Politik, das letzte Projekt und die Schwiegermutter zu verwickeln. Sie ist die inoffizielle Feel-Good-Managerin, die gute Seele des Büros. Wie ein Chamäleon bewegt sie sich auf der Weihnachtsfeier. 

Sie raucht, sie tanz, sie schweigt, sie lacht, sie motzt – je nachdem, auf wen sie trifft.

Das Lästermaul

Er hat immer was zu mäkeln. Auf der Weihnachtsfeier nutzt er seine Chance und sät Missgunst unter den Leuten. Mit seinem Weißweinglas pirscht er sich von hinten an und sucht sich sein Opfer aus. Er steigt stets mit einem Kompliment ins Gespräch ein – erst eins zum Outfit "Toll siehst du heut aus!" – dann eins zur Performance – "Deine Präsi letztens, best pratice!". So lobt er sie sich an die Lippen, bis sie butterweich an ihm hängen. Dann beginnt das Marionettenspiel: "Die Tante in der Buchhaltung hat auch schon bessere Tage gesehen, oder?" "Beim Cheffe ist wohl auch grad nicht so viel im Bett los."

Der Chef

Er ist der wichtigsten Mann des Abends – das denkt zumindest er und hat diese Ansicht exklusiv. Während er viel zu lang vom erfolgreichen Jahr schwafelt, sabbern die Angestellten dem Buffet entgegen. Unterzuckert klammern sie sich an ihre Weingläser, während der Boss noch Warnungen für das kommende Jahr ausspricht. "Schwieriges Marktumfeld", sagt er, während er selbst vom Braten träumt. "Wir müssen Kräfte bündeln", posaunt er und denkt dabei an sein Bett. Denn er verzieht sich extrem früh, weil niemand mit ihm reden möchte oder besäuft sich so hart, dass es peinlich wird, weil er allen zeigen möchte, dass er dazugehört und einer vom Team ist. Was er nicht ist.

Der DJ

Ja, die Personalabteilung hat sich zu spät drum gekümmert oder hört eh nur Dieter Bohlen und ja, jetzt steht da dieser Typ hinter einem Keyboard und legt allen ernstes CDs in eine Stereoanlage. Es läuft Techno aus den 90ern, er schlägt mit den Händen auf eine Rassel und ruft: "Und tanzen und tanzen und tanzen!" An Tischen schauen sich alle peinlich berührt an, die Tanzfläche bleibt leer. Du gehst schnell zur Bar – weil, was denn sonst?

Zwei Stunden später bebt der Raum, denn wie sich herausstellt, lieben alle Dieter Bohlen.