Öl verunreinigt, Abgase verpesten, Plastik vergiftet! Wir setzen unserer Erde mit Müll in allen erdenklichen Formen zu – und das bereits seit Jahrzehnten. Dass wir besser auf unseren Heimatplaneten Acht geben sollten, hatte zuletzt der Künstler und Umweltaktivist Henry Fair mit eindrucksvollen Luft-Aufnahmen unter Beweis gestellt. Auch auf der diesjährigen Berlinale zeigen zwei Beiträge, ähnlich wie Fair, die Folgen menschlichen Eingreifens in die Natur: Die Konsequenzen zerstörter Landschaften, die unsere Nachfolgegenerationen zu schultern haben.

ANTHROPOCENE: The Human Epoch – Dokumentarfilm, 2019

Stoßzähne bringen Geld. Mit dieser Erkenntnis und der sichtbaren Vermessung der Zähne eröffnet Jennifer Baichwal ihren Film über die Unterwerfung der Erde. Zum Schluss muss das Elfenbein aufgrund einer Regierungsmaßnahme brennen, um den kenianischen Schwarzmarkt in seine Schranken zu weisen. Anthropocene: The Human Epoch zeigt in 87 Minuten, wie der Mensch natürliches Terrain dem Erdboden gleich macht – teilweise unwideruflich.

Der Titel des Filmes entstammt der Bezeichnung "Anthropozän" aus dem Jahr 2002 und beschreibt ein Zeitalter, in dem die Menschen das natürliche Ökosystem zu ihren Gunsten formen. Laut dem niederländischen Chemiker Paul Crutzen hat das Industriezeitalter im späten 18. Jahrhundert das Anthropozän eingeleitet. Durch die technischen Innovationen des Menschen entstehen demnach Auswirkungen wie der Klimawandel, die in ihrer Langfristigkeit mit den Folgen der Eiszeit zu vergleichen sind. Damals entstanden Gletscher, Wasserentzug und eine konstante Kälte. Heute schmilzt das Eis an den Polen, während der Meeresspiegel ansteigt und es im Mittelmeerraum zu extremen Dürrephasen kommt.

Baichwal inszeniert diese Ära fast schon mit einem meditativen Blick, welcher die Betrachter*innen schockiert zurücklässt, wenn Drohnen durch riesige Steinbrüche kreisen oder flammende Rohstoffe den Himmel erleuchten. Für diese Bildgewalt hat Baichwal an der Seite von drei Kollegen 20 Länder bereist. Die kanadische Regisseurin hatte bereits 2006 mit Manufactured Landscapes und 2013 Watermark das brachiale Verhältnis von Mensch und Natur abgefilmt. ANTHROPOC bildet den letzten Teil der Triologie.

Erde – Dokumentarfilm, 2019

Kalifornien, Ungarn, Italien, Spanien, Kanada, Wolfenbüttel und der Brennerpass. Der österreichische Filmer Nikolaus Geyrhalter hat sieben Orte aufgesucht, an denen der Mensch wütet. Berge werden durchbohrt, Kohle wird gescheffelt, Atommüll gelagert. Erde offenbart die offenen Wunden des Planeten, die wohl nie zu Narben verheilen werden, verpackt in gemäldeartigen Sequenzen.

Geyrhalters Ziel war es, Hightech-Betriebe in westlichen Industrieländern zu dokumentieren, in denen die Handarbeit längst von der Technik abgelöst wurde. Das ist ihm gelungen. Die Größenordnung, in der die Maschinen sich durch Berg und Tal fräsen, lassen einen fast aus dem Kinositz torkeln.

Zusätzliche Interviews mit den Verantwortlichen geben in Erde genügend Futter, um sich eine Meinung über die Auswirkungen der Sprengkommandos und Tagebauarbeiter*innen zu machen. "Der Mensch bewegt täglich 156 Millionen Tonnen Erde, mehr als doppelt so viel wie die Natur", heißt es gleich zu Beginn der Doku. Eine Information, die beängstigt.

Gleichzeitig findet die Doku jedoch Verständnis für den Abbau von Ressourcen, die zwangsläufig für den Bau von Infrastrukturen verwendet werden müssen. Dieser Zwiespalt macht Erde so außergewöhnlich. Ebenso der Fakt, dass Geyrhalter vor zwanzig Jahren selbst am Baggersteuer-Joystick saß und damals sein Interesse für den menschlichen Umgang mit der Natur entwickelte.