Am Dienstag war der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz vor die Presse getreten und hatte verfügt: Outdoor-Veranstaltungen künftig mit maximal 500 Besucher*innen, Indoor-Veranstaltungen höchstens mit 100 Personen. Darüber hatte sich die 28-jährige Wiener Journalistin Frederika Ferkova zunächst geärgert – war das nicht eine Überreaktion?

Doch dann telefonierte sie mit ihrem Vater, einem Virologen und er machte ihr klar, dass die Maßnahmen durchaus sinnvoll seien, um eine Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. "Daraufhin habe ich angefangen zu überlegen, ob ich nicht irgendetwas tun kann", sagt Frederika Ferkova zu ze.tt. Außerdem inspirierten sie die Tweets der österreichischen Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die aktuell mit ihrem Kind in Quarantäne ist und darüber twittert.

"Gemeinsam steht Wien auch eine Pandemie durch"

Schnell fielen Frederikas Gedanken auf die Menschen, die durch das Virus am meisten bedroht sind: ältere Menschen und solche mit geschwächten Immunsystemen. "Auch bei mir im Haus wohnen zwei ältere Menschen", sagt sie am Telefon zu ze.tt. "Ich hab mich gefragt, was ich tun kann, dass sie einem so geringem Risiko wie möglich ausgesetzt sind." Diese Menschen seien nun mal bei einem Einkauf viel gefährdeter als Personen in ihrem Alter. So kam Frederika auf die Idee, einen Zettel ins Treppenhaus zu hängen. Darauf steht, dass sie und ihr Freund bei Einkäufen und anderen Besorgungen ihre Hilfe anbieten.

Bis Donnerstagmorgen habe sich noch niemand bei ihr gemeldet, sagt Frederika, gibt allerdings zu bedenken, dass der Zettel auch weniger als einen Tag dort hängt. "Vielleicht trauen sich manche auch nicht", sagt sie. Für Donnerstagnachmittag hat sie sich vorgenommen, die Menschen in ihrem Haus persönlich anzusprechen.

Es ist so schön, zu sehen, dass man in so einer Zeit nicht alleine ist.

Viele Nachahmer*innen

Ihr Tweet wurde in kürzester Zeit hunderte Male geteilt und kommentiert. Unter dem Hashtag #Nachbarschaftschallenge griffen andere die Idee auf und teilten Bilder von ihren Zetteln in ihren Wohnhäusern. Die Website soziale-arbeit.digital hat sogar Vorlagen erstellt, die man nach eigenen Wünschen anpassen kann. Frederika freut sich über so viele Nachahmer*innen. "Ich bin sehr glücklich darüber", sagt sie. Zugleich schlägt sie weitere Hilfsmöglichkeiten vor. Studierende könnten zum Beispiel Eltern unterstützen. "Viele müssen jetzt im Homeoffice arbeiten und haben die Kinder zu Hause", sagt sie. Da könnten doch Studierende, die wegen geschlossener Unis ebenfalls zu Hause sind, eventuell bei der Kinderbetreuung helfen.

Auch Sabine Beck hat einen Zettel in ihrem Wohnkomplex in der Wiener Innenstadt aufgehängt. Die 49-Jährige arbeitet im Bildungsteam von Greenpeace Deutschland. "Direkt danach hat eine junge Studentin ihre Nummer darunter geschrieben", erzählt sie. Außerdem habe sich eine ältere Dame bei ihr bedankt. "Sie sagte mir: 'Es ist so schön, zu sehen, dass man in so einer Zeit nicht alleine ist'". Sie werde sich bestimmt bald einmal bei ihr melden, habe sie gesagt.

Für Sabine ist die Pandemie auch eine Chance. "Das wird jetzt bestimmt zwei Monate so gehen und gibt uns die Möglichkeit, uns in Solidarität zu schulen", sagt sie. "Manchmal sind es solche Miniaktionen, die große Wirkung haben." Sie hofft auf positive Effekte für unsere Gesellschaft – auch für die Zeit nach dem Virus.