Es gibt Führungskräfte, die reiten Projekte, Abteilungen oder ganze Unternehmen im Galopp ins Verderben – und nichts passiert. Oder zumindest sehr lange nicht. Klar, Chef*innen müssen das große Ganze im Blick behalten und machen auch mal Fehler. Entscheidend ist allerdings, wie sie damit umgehen.

Ein wichtiger Aspekt ist Kritikfähigkeit. Also inwieweit der*die Vorgesetzte in der Lage ist, das eigene Verhalten zu reflektieren und auch das Feedback der Mitarbeitenden in Entscheidungen einzubeziehen. Doch wenn der Kontakt zur Basis in den Zahnrädchen der Hierarchie zerrieben wurde und es zunehmend einsam an der Spitze wird – woher weiß ein*e Chef*in dann, ob er*sie einen guten Job macht? Die Einschätzung der Bosse weiter oben zählt dabei bloß bedingt, weil sie oft einen sehr speziellen Blickwinkel haben.Führungs-Coachin Anja Niekerken hat ein Buch darüber geschrieben, was eine*n gute*n und eine*n schlechte*n Boss ausmacht: 

Die Kunst, kein Arschloch zu sein. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass aus dem*der netten Kolleg*in ein* echt schlechte*r Boss wird und noch mal so viele, warum er*sie das nicht merkt.

Vor allem aber gibt es laut Anja Niekerken drei deutliche Anzeichen, die stümperhafte Führung direkt und für alle sichtbar machen.

Warum halten sich Chef*innen für unfehlbar ?

Die meisten Menschen haben einen gewissen Hang dazu, sich selbst als im Recht und die eigenen Entscheidungen als durchdacht zu betrachten – von Praktikant*innen bis zu CEOs. "Im Grunde halten wir uns alle für unfehlbar. Zumindest glauben wir, dass wir nicht viele Fehler machen", sagt auch Anja Niekerken, "denn sonst wären wir gar nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen."

Das bedeutet keinesfalls, dass wir alle dem Größenwahn anheim fallen, aber im Job braucht es nun mal ein gewisses Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie in das eigene Urteilsvermögen. Und das gilt noch tausendmal mehr in einer Führungsrolle.

Doch sobald jemand befördert wird, ändert sich nicht nur der Jobtitel – es passiert laut Coachin auch etwas mit der Persönlichkeit: "Führungspositionen sind immer auch Machtpositionen – und Macht verändert jeden Menschen. Während wir ohne Macht empathisch, höflich und mitfühlend sind, ändern wir dieses Verhalten in Machtpositionen sehr schnell." Studien würden demnach belegen, dass mit wachsender Macht Qualitäten wie Rücksicht, Geduld und Mitgefühl schrumpfen.

Und auch, wenn das erstmal hässlich klingt: Bis zu einem gewissen Grad gehört das sogar so, denn mit der Macht wächst die Verantwortung und damit die Tragweite der Entscheidungen: Es ist schlicht unmöglich, bis ins Detail auf jede*n und alles Rücksicht zu nehmen. "Allerdings sollten Führungspersonen sich dessen immer bewusst sein", meint Beraterin Niekerken. "Sind sie es nicht, dann können sie zu Despoten werden – wie wir in der Politik gerade sehr gut beobachten können."

Tja. Und genau da liegt das Problem.

Schlechte*r Boss? Diese Dinge zeigen's

Es gibt drei klare Anzeichen, die auf schlechte Führung hindeuten: hohe Fluktuation, hoher Krankenstand und sinkender Output.

Wenn regelmäßig neue Leute eingestellt werden, die schon nach kurzer Zeit wieder abhauen, ist das ein Zeichen dafür, dass mit der Führung etwas nicht stimmt. "Studien besagen, dass Menschen sich ihren Job nach Firma, Aufgabenprofil und Gehalt aussuchen. Kündigen tun sie laut dieser Studien, weil der Chef schlecht ist, die Kollegen und Kolleginnen unsympathisch sind und die Aufgaben keinen Sinn ergeben", sagt Anja Niekerken. "Schlechte Führung hängt also direkt mit Kündigungen von Angestellten zusammen." Das sei nicht immer so, aber in den meisten Fällen. "Wer also eine hohe Fluktuation in seiner Abteilung hat, darf mal ganz genau bei sich selbst nachschauen", sagt die Expertin.

Auch, wenn Mitarbeitende permanent verschnupft und erschöpft sind, wenn sich Sehnenscheiden- und Nasennebenhöhlenentzündungen abwechseln und nie alle gleichzeitig da sind, weil immer jemand krank ist, lässt sich das auf eine*n schlechte*n Chef*in zurückführen, sagt Niekerken: "Zufriedenheit und Gesundheit hängen direkt miteinander zusammen. Da wir mit etwa 40 Stunden pro Woche mehr Zeit bei der Arbeit verbringen als zu Hause, braucht es keine Raketenwissenschaft, um zu verstehen, dass schlechte Führung und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz eine direkte Auswirkung auf die Gesundheit haben."

Als Vorgesetzte*r sollte man also ein wachsames Auge darauf haben und sich fragen, woran der dauerhaft hohe Krankenstand liegen könnte.

Ein drittes deutliches Zeichen für eine*n schlechte*n Chef*in ist die Leistungsfähigkeit des Teams. "Schlechte Führung ist immer demotivierend und damit hat sie direkten Einfluss auf den Output der Abteilung", sagt Anja Niekerken. "In vielen Fällen würde es sogar reichen, mit der Demotivation aufzuhören, denn in der Regel sind die meisten Angestellten von sich aus motiviert." Doch das Problem sei, dass miese Führungskräfte ihre Leute aktiv demotivieren – und zwar durch schlechte Kommunikation, Ungleichbehandlung, Egoismus, Ignoranz.

Und falls diese drei massiv wichtigen Aspekte noch nicht aussagekräftig genug sein sollten, lohnt ein kurzer Blick auf das, was nach Dienstschluss passiert – oder eben nicht: "In Abteilungen oder Firmen mit schlechten Führungskräften ist der Zusammenhalt untereinander oft nicht gut. Alle wollen nach Feierabend einfach nur weg", sagt die Expertin.

So können Vorgesetzte sich ändern

Doch es ist nicht automatisch alles verloren – auch ein* echt schlechte*r Vorgesetze*r kann sich ändern. Vorausgesetzt, er*sie erkennt die Situation, den eigenen Anteil daran und handelt entsprechend.

Wichtig ist laut Führungsexpertin dafür vor allem die Fähigkeit, sich selbst zu führen: "Damit meine ich, dass eine Führungsperson vor allem die Stärken und Schwächen der menschlichen und damit der eigenen Psyche versteht und damit umgehen kann."

Und dazu gehöre auch, in jedem Moment Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und kontinuierlich dazulernen zu wollen. Außerdem gehe es nicht ohne eine Prise Menschenfreundlichkeit. "Wer nur seine eigene Agenda verfolgt, wird, wenn überhaupt, nur eine mäßig gute Führungskraft", sagt Niekerken.

Der erste und wesentliche Schritt dahin ist recht simpel, wird jedoch laut Anja Niekerken selten angewandt: "Frag deine Leute. Die wissen genau, was zu tun ist und was sie brauchen." Das solle nicht heißen, unreflektiert alles umzusetzen, was das Team sich wünscht – aber aufrichtig zuhören hilft ungemein. "Und wenn die Leute nicht so begeistert sind, dann bitte nicht rausreden", rät Niekerken, "sondern weiter fragen, was es denn brauchen würde, um besser zu werden. Das Vorgehen ist unangenehm, aber extrem erfolgreich."

Führung muss man trainieren

Die Fähigkeit zur Führung ist etwas, das einer*m nicht automatisch mit der Beförderung wächst – so, wie man am 18. Geburtstag zwar volljährig, aber noch lange nicht auf einen Schlag erwachsen ist.

"Ich glaube, dass in Bezug auf Führung noch ein großes Missverständnis in Bezug auf Lernen, Trainieren und Üben besteht", sagt auch Expertin Niekerken. Vielmehr sei es ein Entwicklungsprozess; ein*e gute*r Vorgesetzte*r zu sein, das könne und müsse man kontinuierlich trainieren. Und das nicht zu tun, sei laut Coachin vergleichbar mit einem*r Profi-Fußballer*in, der*die sagt "Ach, ich kann das jetzt, ich brauche nicht mehr zu üben."

Wichtig sei es, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen – und auch von sich aus für die eigene Fortbildung zu sorgen. Dazu jedoch seien laut Anja Niekerken viele leider nicht bereit. Und so kommt es, dass manche Menschen schlicht nicht erkennen, was für schlechte Chef*innen sie eigentlich sind. Also, bis sie diesen Artikel lesen – dann gibt's keine Ausreden mehr.