Chella Quint wird manchmal als die Period Lady bezeichnet. Sie hat damit kein Problem. Sie ist Comedian, Künstlerin, Pädagogin und Initiatorin von #periodpositive. Mit ihrem Projekt setzt sie sich für eine Gesellschaft ein, in der offen und ohne Scham über Menstruation gesprochen wird.

"Ich selbst lasse keine Gelegenheit aus, darüber zu reden oder irgendetwas Pro-Periode-Mäßiges zu tun", sagt die Aktivistin. Gerade ist sie dabei, ihre Stadt Sheffield in die erste period positive city Großbritanniens zu verwandeln.

Aber ist Menstruation tatsächlich noch immer so ein Tabu? Obwohl die Monatsblutung einer der natürlichsten Vorgänge überhaupt ist und so ziemlich die Hälfte der Menschheit davon betroffen, würden wohl die wenigsten im Büro die Chefin laut nach einem Tampon fragen. Und vor dem Gang zur Toilette verschwindet das Teil meist unauffällig im Ärmel oder in der Hosentasche. Woran das liegt? An der Art, wie für Binden und Tampons geworben wird. Denn daran hat sich seit den 1950er Jahren nur wenig verändert.

Shame sells

Unternehmen nutzen Scham, um ihre Produkte zu verkaufen. Kaum eine Anzeige oder ein Spot kommt ohne Begriffe wie frisch, sicher, sauber oder diskret aus. Das Ergebnis: Menstruation wird zu etwas Dreckigem verklärt, das im Alltag möglichst nicht existent sein soll, und ein Blutfleck zum größten anzunehmenden Unfall, dem Super-GAU.

Besonders perfide daran ist, dass es die Unternehmen selbst waren, die die accident panic, wie Chella Quint die Angst vor einer für alle sichtbaren Blutung nennt, überhaupt erst erfunden haben. "Das ist Marketing-Lektion Nummer eins", sagt die Aktivistin bei einem TED-Talk im Jahr 2012. "Erzeuge das Problem – und dann verkaufe die Lösung."

Einen Richtungswechsel hat 2017 die britische Firma Bodyform mit ihrer Kampagne #bloodnormal gewagt. Das sorgte für gemischte Reaktionen. Im TV-Spot des Unternehmens ist das Blut – oh, Schreck! – tatsächlich rot und nicht, wie sonst in der Werbewelt üblich, blau. Der dazu passende Slogan lautet: "Periods are normal. Showing them should be too."

Humor und Spaß sind entscheidend, wenn es darum geht, ein Tabu aufzubrechen.“ – Chella Quint

Ein halbes Jahr zuvor hatten zahlreiche britische Medien über eine period poverty in Leeds berichtet. Schüler*innen aus ärmeren Familien konnten das Geld für Tampons und Binden nicht aufbringen und fehlten deswegen regelmäßig im Unterricht, wenn sie ihre Tage hatten. Eine Hilfsorganisation, die normalerweise Frauen in Kenia mit Monatsprodukten versorgt, sprang ein und tat dasselbe für die Mädchen in Leeds.

Genau da möchte Quint ansetzen. Sie träumt von einer Schule, in der es selbstverständlich ist, die Lehrenden um einen Tampon zu bitten oder nach einer Zyklus-App zu fragen und wiederverwendbare Binden im Textilunterricht herzustellen. Und dieses Ziel könnte sie bald erreicht haben. Chella tritt als Beraterin und auf Konferenzen auf. Immer mehr Schulen interessieren sich für ihre Ideen und die Stadt Sheffield hat ihre #periodpositive-Charta in ihren Drei-Jahres-Plan für Sexuelle Gesundheit aufgenommen. Dort wird sie im März auch mit ihrem Comedyprogramm Adventures in Menstruating auftreten. "Humor und Spaß sind absolut entscheidend, wenn es darum geht, ein Tabu aufzubrechen", sagt Chella. "Das ist ein ganz wichtiger Teil meiner Arbeit."

Es ist wichtig, wie wir über Menstruation sprechen

Das Stigma, mit dem Menstruation noch immer behaftet ist, habe Auswirkungen auf das ganze Leben, ist sich Quint sicher. "Untersuchungen zeigen, dass internalisierte Scham uns nicht nur davon abhält, selbstbewusst über unsere eigene Periode zu reden. Sie führt auch dazu, dass wir Hemmungen haben, mit Ärzt*innen über das Thema Reproduktionsgesundheit zu sprechen und beeinträchtigt die Qualität unseres Sexlebens."

Auch die Art, wie wir über Menstruation sprechen, sei wichtig. "Ich verzichte auf Begriffe wie Frauenhygiene oder Hygiene-Artikel (engl.: sanitary products)", erklärt Chella. "Denn Menstruation ist nicht unhygienisch. Vielleicht sollten wir sogar das Frauen vorne weglassen und Menstruierende aller Gender einbeziehen. Auch manche Transmänner oder nicht-binäre Menschen bluten." Außerdem möchte Chella dazu anregen, über Nachhaltigkeit während der Periode nachzudenken und macht in ihrer Arbeit daher auch immer auf wiederverwendbare Produkte wie die Menstruationstasse aufmerksam.

In Deutschland werben Firmen wie o.b. oder always übrigens gerade mit einem gewissen You-can-do-it-Faktor. Besonders der Tamponhersteller betont in seinen Spots die ausgeklügelte Technologie hinter den Produkten, die kein Auslaufen zulasse, sodass keine Frau mehr daran gehindert wird, zu tun, was sie will. Leider bleibt ein Blutfleck damit noch immer der Super-GAU und die Periode wird weiterhin in die Unsichtbarkeit verdrängt. Immerhin: Ganz so schlimm wie früher ist Werbung heute nicht mehr.

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