Butter ist die Schildkröte unter den Lebensmitteln. Erstens ist sie steinalt. Laut Brockhaus gab es bereits etwa 3.000 v. Chr. erste sumerische Mosaikdarstellungen von Butter. Zweitens hat Butter sämtliche Foodtrends und Imageschäden überlebt. Früher galt sie als gesundheitliches No-Go. Sie würde dick machen, Herz-, Gefäßkrankheiten sowie Diabetes begünstigen. Nichts da! Heute steht Butter immer noch beharrlich in den Kühlregalen der Supermärkte. Ihre Verpackung benötigt keine Warnhinweise, es gibt sie in vielerlei Ausführungen, Milchsorten und Fettanteilen, sie ist fester Bestandteil einer jeden Küche geblieben. Die Statistiken bestätigen das. Die Deutschen verbrauchen 5,84 Kilogramm Butter, Milchfett- und Milchstreichfetterzeugnisse pro Kopf und Jahr.

Auf den Verpackungen werben Butterhersteller*innen gerne mit blumigen Versprechungen. Sie nennen sie etwa Alpen-, Alm-, oder Bergbauernbutter. Dabei sind derartige Begriffe in Verbindung mit Lebensmitteln gesetzlich nicht geregelt. Sie sollen bei den Verbraucher*innen lediglich bestimmte Erwartungen wecken. Butter aus Höhenlage schmecke besonders gut, zum Beispiel. Dasselbe gilt etwa für Butter aus sogenannter Weidemilch. Der Begriff Weidemilch soll erkennbar machen, dass die Kühe irgendwann auf einer Weide gestanden und dort gegrast haben, sagt aber nichts darüber aus, wie lange das war. Auch hier: Eine gesetzliche Definition existiert nicht. Wo die Milch für die Butter herkommt und was die Kühe fressen, wirkt sich allerdings auf die Qualität der Butter aus. Verbraucherschützer*innen fordern daher schon lange eine Pflicht zur Herkunftsangabe der verwendeten Milch.

Ich fühle mich zu Butterblöcken hingezogen.
Marius W. Hansen

Viel wichtiger als die Verpackung ist der Inhalt. Eine gute Butter soll cremig und rahmig sein. Sie soll den Geschmack der Speise tragen, für die sie benutzt wurde, sei es auch nur eine Scheibe Brot. Sie soll merkbar sein, aber nicht überdecken, und sie soll eine gewisse Säure beinhalten. Hohe Erwartungen also – und trotzdem nichts, was Marius W. Hansen interessiert. Der Fotograf aus London ist fasziniert von den gewöhnlichsten Gegenständen des alltäglichen Lebens, wie unter anderem Butter. Er liebt sie allerdings überwiegend wegen ihres Anblicks. Eine frisch ausgepackte Butter, ein gekühlter Quader, abgerundete Ecken, leicht gelblich schimmernd, die Abdrücke der Verpackung auf der Oberfläche: Für Hansen gibt es kaum Besseres. "Die ziegelförmige Gestalt, die Textur, ich fühle mich zu Butterblöcken hingezogen", sagt er. Ganz im Gegensatz zu beispielsweise Joghurt. Da habe man keine Form und zu viel würde über die Verpackung und den Text laufen. "Der Butterblock hingegen ist ein eigenständiges Objekt. So wie Eier. Zu denen fühle mich auch hingezogen."

Ansprüche vergessen und Butter betrachten

Es liegt also auf der Hand, dass Hansen auch mit Butter arbeiten möchte. Über zwei Jahre hat er frisch geöffnete Butterblöcke unterschiedlicher Marken in unterschiedlichen Ländern fotografiert. "Ich habe die verschiedenen Formen und Größen von Butter systematisch dokumentiert", sagt er. Fragt man Hansen nach seinem Lieblingsbild, erhält man schnell eine Antwort: "Eindeutig die Joghurtbutter, die ich in Glasgow aufgenommen habe. Ich liebe das Licht und die Texturen in diesem Bild."

Diese unbändige Liebe zu Butter muss nicht zwangsweise jede*r nachvollziehen können. Dass es trotzdem viele tun, beweist aber ein Umstand: Das Zine, in dem Hansen seine Butterfotos 2018 veröffentlichte, war das erste, das ausverkauft war.

Aus ethischer Sicht ist Butter hingegen keineswegs sexy. Als Milchprodukt ist sie nicht tierfreundlich, denn Milchprodukte gehen nicht selten mit Hochleistungszucht der Kühe und daraus folgenden Krankheiten sowie künstlicher Befruchtung einher. Wir brauchen keine Milchprodukte zum Überleben oder zum Gesundsein, weder Butter noch Milch oder Käse. Aus ernährungsphysiologischer Sicht hat Butter allerdings ihr schlechtes Image längst abgelegt. Hochwertige Butter hat trotz ihres hohen Cholesteringehalts viele positive Eigenschaften auf die Gesundheit, solange sie nicht in zu großen Mengen verspeist wird. Welche Eigenschaften das genau sind, schlüsselt das Zentrum für Gesundheit auf.

Ob man sie nun (gerne) isst oder nicht – Butter ist eine Selbstverständlichkeit des Alltags. Sie überwindet gesellschaftliche Klassen und soziale Schichten. Im Four Seasons ist sie genauso zu finden wie in der abgeranzten Jugendherberge. Lasst uns in diesem Sinne unsere persönlichen kulturellen und artistischen Ansprüche vergessen und es Marius W. Hansen gleichtun: den Anblick von schlichter Butter genießen.