Eine ältere Frau sitzt auf einem gemütlichen Sessel, trinkt eine Tasse Tee; ein Mann im Anzug sitzt mit einem Glas Wein vor einem Bücherregal und schaut herausfordernd in die Kamera; ein Mann und eine Frau, beide sehr fein gekleidet, sitzen vor einem Kamin, auf dem Schoß des Mannes sitzt ein kleiner Junge. Die Fotos von Ceridwen Hughes zeigen die unterschiedlichsten Situationen und wollen die Geschichte der abgelichteten Menschen erzählen: denn einige von ihnen haben eine Behinderung. Mit ihrem Projekt Beauty Of Rare, also die Schönheit des Seltenen, möchte die Fotografin, die in der Nähe von Liverpool lebt und arbeitet, die Betrachter*innen für seltene Krankheiten und Behinderungen sensibilisieren. Für Ceridwen ist das ein sehr persönliches Thema und Anliegen: "Mein jüngster Sohn Isaac kam 2007 mit dem seltenen Möbius-Syndrom zur Welt", erklärt sie.

Beim Möbius-Syndrom handelt es sich um eine Lähmung einiger Hirnnerven, welche die Mimik des Gesichts, die seitlichen Bewegungen der Augen und zum Teil auch die Zungen- und Sprechmuskulatur beeinträchtigt. Symptome können laut des Möbius-Syndrom Deutschland e. V.s unter anderem eine Augenmuskellähmung, Hörbehinderungen, Kiefer- und Muskelfehlbildungen oder auch Schluck- und Ernährungsstörungen sein. Bei Ceridwens Sohn Isaac betrifft die Erkrankung vor allem seine Mimik. Sie erinnert sich: "Das war ein sehr beschwerlicher Weg, besonders zu Beginn, und man isoliert sich dabei sehr schnell, wenn man feststellt, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die verstehen, was du gerade durchmachst." Dabei habe sie realisiert, dass Menschen sehr schnell ein Urteil über andere fällen – einzig und allein aufgrund des Aussehens. "Obwohl Isaacs Erkrankung sich nicht auf seine geistigen Fähigkeiten auswirkt, gehen die Menschen davon aus, dass er auf eine Sonderschule gehen muss", erklärt sie. Außerdem sei ihr aufgefallen, dass viele Leute häufig sie ansprachen, statt Isaac direkt anzusprechen.

Mehr als nur der erste Eindruck

All diese Erfahrungen und der Wunsch, etwas in der Wahrnehmung der Menschen zu ändern, hat die Fotografin letztendlich dazu bewegt, vor drei Jahren Same But Different ins Leben zu rufen. Sie wolle damit den Menschen eine lautere Stimme geben und dafür sorgen, dass sie gehört werden. Same But Different ist eine Non-Profit-Organisation, die mithilfe von Kunst auf Behinderungen und seltene Erkrankungen aufmerksam machen und so Vorurteile bekämpfen möchte. "Wir wollen die Menschen dazu ermutigen, auch über den ersten Eindruck zu schauen", heißt es auf der Webseite der Organisation.

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Fotografie ist dabei ein zentrales Mittel. Ceridwen, die eigentlich aus dem Marketingbereich kommt und erst durch Konzertfotografie ihre Leidenschaft für die Fotokunst entdeckte, setzt diese Leidenschaft nun ein, um eine Botschaft zu vermitteln: "Es hat mich total frustriert, so viele negative Bilder im Internet zu sehen. Wenn du nach sowas bei Google suchst, werden dir oft angsteinflößende medizinische Fotos gezeigt, die nichts mit der Persönlichkeit der Menschen zu tun haben. Das Ziel von Same But Different ist es, mithilfe von Kunst die Menschen hinter der Erkrankung zu sehen. Zu jedem Foto gibt es eine Geschichte über den Menschen und Details zu der Erkrankung", erklärt sie. Zusammen mit der Organisation hat Ceridwen schon mehrere Projekte realisiert, unter anderem die Fotoreihe Beauty Of Rare.

Beauty Of Rare, die Schönheit des Seltenen

Sie erklärt: "Bei Beauty Of Rare wollte ich mit jedem Bild eine Geschichte erzählen, und deshalb sind die Fotos auch sehr szenisch. Jedes Bild hat eine Weile gedauert, weil wir sicher sein wollten, dass die darin enthaltenen Elemente die Menschen, ihre Persönlichkeit und die Erkrankung widerspiegeln." Alle Personen, die an dem Projekt Beauty Of Rare teilgenommen haben, haben eine seltene Erkrankung. Das Ziel sei es, dass die Betrachtenden innehalten, sich die Fotos genauer anschauen und mehr über die abgebildeten Menschen wissen wollen. Deshalb sind in den Fotos auch ein paar eigenartige Elemente versteckt, die beim ersten Betrachten vielleicht nicht auffallen, doch zusammen mit der Geschichte der fotografierten Personen einen Sinn ergeben: "Wenn Menschen die Geschichten dazu lesen und die Videos anschauen, werden sie verstehen, welch großen Einfluss diese Erkrankungen auf die Betroffenen und ihre Familien haben. Aufmerksamkeit ist sehr wichtig, wenn wir Vereinsamung vermeiden wollen", betont Ceridwen.

Auf einem Blog können die Bilder zusammen mit kurzen Videointerviews und der Geschichte hinter dem Bild aufgerufen werden. So erfahren die Betrachter*innen zum Beispiel, dass die ältere Frau im Sessel Barbara heißt und Multiple Sklerose, MS, hat. In ihrer Geschichte spricht sie darüber, wie die Erkrankung ihr Leben beeinflusst hat.

Der kleine Junge, der vor dem Kamin auf dem Schoss des Mannes sitzt, heißt Vinnie. Er hat Spinale Muskelatrophie, SMA, und seine Eltern teilen ihre Geschichte.

Auch wenn das Projekt Beauty Of Rare an sich abgeschlossen ist, will Ceridwen weiter daran arbeiten und weitere Fotos und Geschichten sammeln. Denn das Feedback bisher sei unglaublich positiv ausgefallen: "Schwierige Themen sind oft schwer hervorzuheben, aber es ist wichtig, dass ihre Geschichten geteilt werden", erklärt die Fotografin.