Dort, wo niemand ist, will Natalia Sobańska hin. Verstaubte Autos, verlassene Schulen, verwüstete Supermärkte. Die polnische Fotografin reist um die Welt und besucht verlassene Orte. Sie hat sich das Fotografieren selbst beigebracht und lichtete bereits einsame Plätze in Polen, Montenegro, Italien, Rumänien, Ungarn, Abchasien und Georgien ab.

Zwei Tage im Sperrgebiet

2018 reiste sie nach Japan und fotografierte innerhalb der Sperrzone von Fukushima. Zwei Tage lange fing sie dort ihre Eindrücke von Straßen, Waschsalons, Schulen, Shops, Restaurants, Hochzeitsgeschäften und Wohnhäusern ein. Einmal löste sie auch einen Alarm aus und die Polizei kam, wie sie auf Facebook schreibt. "Ich liebe verlassene Orte, aber in der Sperrzone zu sein, war traumatisch. Du bist umgeben von der Tragödie, die sich dort ereignete. Es hat mir in der Seele wehgetan."

Wie diese Orte anderthalb Jahre später aussehen, ist unbekannt. Einige Orte in der Sperrzone sind nach wie vor nicht bewohnbar. Nach Angaben des Staates ist die Lage in der Atomruine unter Kontrolle, selbst Lebensmittel aus Fukushima seien sicher, heißt es. Darum erlaubt man Bewohner*innen einstiger Sperrzonen die Rückkehr in ihre Häuser, versucht den Tourismus anzukurbeln und rührt die Werbetrommel für die Olympischen Spiele 2020.

Ich liebe verlassene Orte, aber in der Sperrzone zu sein, war traumatisch.
Natalia Sobańska

Acht Jahre seit der Katastrophe

Ein Erdbeben der Stärke 9,0 und der Tsunami vom 11. März 2011 verwüsteten weite Teile der japanischen Küste, und 18.500 Menschen kamen ums Leben. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi wurden die Reaktoren 1 bis 3 zerstört, es kam zu Kernschmelzen. Rund 160.000 Anwohner*innen flohen damals vor der lebensbedrohlichen radioaktiven Strahlung. Nach mehreren Sammelklagen stellte ein japanisches Gericht Ende 2017 die Mitschuld des Staates und des Betreiberkonzerns Tepco an der Atomkatastrophe fest. Fukushima war nach Tschernobyl der zweite GAU der Geschichte. Er gilt offiziell als katastrophaler Unfall, die schlimmste Kategorie auf der internationalen Skala für atomare Störfälle.

Obwohl viele Teile rund um Fukushima seit Ende März 2017 als wieder bewohnbar gelten, sind die Menschen verunsichert. Neben psychologischen Folgen und der äußeren Strahlenbelastung sind vor allem die Langzeitfolgen durch die Aufnahme kontaminierter Lebensmittel nicht klar. "Fukushima ist ein Ort, an den die Menschheit zurückkehren wird", sagt der Radioökologe und Strahlenschutzexperte Georg Steinhauser von der Leibniz Universität Hannover ZEIT ONLINE. "Und wenn es hundert Jahre dauert."

Mehr verlassene Ort, welche die Fotografin besuchte, findet ihr hier: