"Ich habe tatsächlich beschlossen, diese Sendung zu verlassen", verkündete die französische Fernsehkolumnistin Hapsatou Sy vergangene Woche über ihren Twitteraccount. Nicht nur ihre Fans hatten gespannt auf diese Entscheidung gewartet: Wird sie nach wie vor wöchentlich in der Talkshow Les Terriens du dimanche! (zu Deutsch: Erdbewohner*innen am Sonntag) zu sehen sein? Der Entscheidung geht ein Ereignis voraus, das die französische Öffentlichkeit seit Wochen beschäftigt und zur nationalen Angelegenheit geworden ist: Sy wurde zuvor in der Sendung rassistisch beschimpft. Und sie hat sich gewehrt.

Berühmt geworden ist die 37-Jährige als Jurymitglied in der französischen Version von Die Höhle der Löwen. Mit 24 Jahren hat Sy bereits ihr eigenes Kosmetik-Unternehmen hochgezogen. Sie war als Geschäftsfrau sogar in der französischen Wirtschaftsdelegation für den G20-Gipfel im Jahre 2011. Seit September 2017 saß sie als Dauergast in der mehrköpfigen Talkshow, die wöchentlich auf dem Sender C8 ausgestrahlt wird.

Ein senegalesischer Name? Laut Zemmour ein "schwerer Fehler"

Doch zurück auf Anfang: Am 13. September wurde die letzte Folge aufgezeichnet, in der Sy ihren wöchentlichen Platz auf der Bühne einnahm. Geladen war auch der französische Autor und Redakteur der Tageszeitung Le Figaro Éric Zemmour, der erst kürzlich sein neues Buch Destin français (zu Deutsch: Das französische Schicksal) herausgebracht hat. Zwei Tage später wurde die Sendung ausgestrahlt. In einer Unterhaltung zwischen Sy und Zemmour durften die Zuschauer*innen letzteren sagen hören, die senegalstämmige Mutter von Sy habe den "schweren Fehler" begangen, ihre Tochter "Hapsatou" zu nennen: "Sie hätte Sie lieber Corinne nennen sollen, das hätte Ihnen gut gestanden."

Ich heiße Hapsatou und ich bin Französin.“ – Hapsatou Sy

Zuvor hatte sich Zemmour über eine französische Politikerin ausgelassen, die ihrer Tochter den Namen "Zohra" gegeben hat. "Normalerweise, was mich betrifft zumindest, sollte man seinen Kindern laut einem Gesetz von Bonaparte, das leider 1993 von den Sozialisten abgeschafft wurde, kalendarische Namen geben. Sprich, die von christlichen Heiligen", hatte Zemmour gesagt. "Ich heiße Hapsatou und ich bin Französin", hatte Sy daraufhin geantwortet.

Zemmour steht dem rechtsextremen Front National nahe

Zemmour ist mit dieser Bemerkung nicht zum ersten Mal aufgefallen. Wer Zemmour in eine Fernsehsendung einlädt, setzt die Grenzen des Sagbaren bereits ziemlich weit außen. Denn der Autor ist in der Vergangenheit immer wieder mit rassistischen Aussagen aufgefallen: So wurde er bereits im Jahre 2011 "wegen Aufstachelung zum Rassenhass" zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sagte, Arbeitgeber*innen hätten das Recht, "Araber oder Schwarze" aufgrund ihrer Herkunft abzulehnen. Nach den Terroranschlägen im Winter 2015 in Paris forderte er die Bombardierung von Molenbeek bei Brüssel, wenn man Terrorist*innen treffen wolle. Einer der Hauptverdächtigen des Attentates kam aus dem Viertel, das von vielen Menschen mit Migrationsgeschichte bewohnt wird. Zemmour steht außerdem der rechtsextremen Partei Front National nahe.

Sys Rücktritt ist nicht ganz freiwillig

In der im Sender C8 ausgestrahlten Fassung endet die Konversation an der Stelle, an der sich Zemmour eine "Corinne" statt "Hapsatou" wünscht. Drei Tage später teilte Sy jedoch auf ihren Social-Media-Kanälen die Aufnahmen, die im Nachhinein heraus geschnitten wurden: In diesen hört man sie sagen, "für jemanden, wie mich, die ihr Frankreich liebt, die dieses Land liebt, ob es Ihnen gefällt oder nicht, ist das, was Sie gerade sagten, nicht nur eine Beleidigung meiner Person, sondern Frankreichs." Zemmour antwortet daraufhin: "Es ist Ihr Vorname, der eine Beleidigung Frankreichs ist. Frankreich ist kein unbeschriebenes Land. Es ist ein Land mit einer Geschichte und Vergangenheit. Die Vornamen sollten die Geschichte Frankreichs verkörpern." Und diese sei nun mal christlich.

Sy veröffentlichte diese Sequenzen gegen den Willen ihres Senders, der sich nicht erfreut zeigte. Mit ihrem Vertrag als Kolumnistin der Sendung sei sie eine Schweigepflicht über die Aufnahmen eingegangen, hieß es. Medien spekulierten tagelang, ob der Sender Sy ersetzen werde. Nein, er tut es nicht, ließ er nun verkünden. Aber der Rücktritt Sys sei auch nicht völlig freiwillig, spekulieren viele, sondern mehr eine Übereinkunft zwischen dem Sender und der Geschäftsfrau, die bis zum Schluss die Veröffentlichung der herausgeschnittenen Sequenzen gefordert hatte. C8 hatte das abgelehnt.

Ich heiße heute Hapsatou Nyssen." – Françoise Nyssen, französische Kulturministerin

Sie riskiere zwar mit ihrer Entscheidung, ihren Job zu verlieren, sagte Sy in ihrer Stellungnahme zu der  Veröffentlichung der Aufnahmen, doch sie wolle nicht mehr tatenlos zusehen, wie Éric Zemmour seinen Hass in sozialen Medien und im Fernsehen verbreite. Gleichzeitig zeigte sie sich in einem Tweet sehr betroffen über die fehlende Unterstützung durch das Produktionsteam und den Moderator der Sendung Thierry Ardisson. Genau so wenig war Éric Zemmour bereit, sich bei Sy zu entschuldigen, wie er verkünden ließ. Dafür zeigten sich viele anderen Menschen solidarisch mit ihr: Sie änderten ihre Namen in den sozialen Medien auf "Hapsatou". Selbst die französische Kulturministerin Françoise Nyssen schrieb auf Twitter, ihr Name sei "Hapsatou Nyssen".

Sy gründet ihren eigenen Sender

Außerdem unterschrieben bislang 320.000 Menschen eine von von Sy ins Leben gerufene Petition, in der sie Medienhäuser dazu auffordert, Menschen, die Hasstiraden verbreiten, nicht länger eine Plattform zu geben. Um eine Klage gegen Zemmour kümmert sich seit neuestem ein Anwalt. Zuletzt gab Sy heute die Gründung ihres eigenen Web-TV-Kanals bekannt. Dort soll es um alles gehen, was Menschen in Frankreich bewegt: von Beauty bis hin zu Polit-Talkshows. Zumindest hier soll Personen wie Zemmour in der Zukunft keine Öffentlichkeit geboten werden.