In wie viele Länder der Welt ist Großbritannien noch nicht einmarschiert? Wie groß wäre die Fläche, die alle Menschen der Erde einnehmen würden, wenn sie nebeneinander stünden? Und wo in Deutschland sagt man Schnürsenkel und wo Schuhbändel? Alle diese Fragen ließen sich in Texten beantworten – oder in Karten.

Letzteren Weg wählt das Buch 100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern. "Es gibt wissenschaftliche Themen, die interessanter sind, als man denkt", sagt Benjamin Fredrich, 31, Gründer des Magazins Katapult – Magazin für Kartografik und Sozialwissenschaft, das auch hinter dem gerade erschienen Buch steht. Für ihn ist es unfassbar, was Wissenschaftler*innen teilweise herausfinden. Die Erkenntnisse verließen aber oft nicht den Mikrokosmos der Hochschulen. Karten und Grafiken sind für ihn eine einfache Art, dieses Wissen einem größeren Publikum schnell und verständlich weiterzugeben.

Das Buch enthält auf 200 Seiten 100 ernste Grafiken wie die Zahl der Todesopfer von Terroranschlägen nach Ländern aufgelistet, aber auch Lustiges, wie etwa Orte in Deutschland oder Österreich mit skurrilen Namen wie Kotzfeld oder Katzenhirn. Die Mischung aus Ernstem und Lustigem und die sehr kurz gehaltenen Texte sind vermutlich der größte Unterschied zu ähnlichen Publikationen, wie etwa dem Atlas der Globalisierungden die französische Zeitung Le Monde Diplomatique jährlich herausbringt.

Die Idee für Karten entstand aus der Not

Benjamin studierte in Greifswald Politik und Geschichte. "Unter uns Studierenden gab es einen inoffiziellen Wettbewerb, wer wo Artikel verkaufen kann", erzählt er. Viele versuchten, in Blogs oder Tageszeitungen Artikel unterzubringen. Auch Benjamin gelang es, einen Artikel in der taz zu veröffentlichen. Doch schon immer hatte er den Wunsch, ein eigenes Magazin zu gründen. "Ich habe vielen Leuten davon erzählt, aber meine Ausrede war immer, dass ich nicht programmieren kann", sagt er. Schließlich erzählte er Freund*innen in seinem Schwimmverein davon und tatsächlich sagte einer von ihnen: "Ich kann programmieren, lass es uns machen."

So entstand die Idee für das Magazin Katapult. Die Artikel für das Magazin liefern überwiegend Wissenschaftler*innen aus den Sozialwissenschaften, die kostenlos schreiben. Der Gedanke, die Artikel mit Karten zu bebildern, entsprang dabei eher der Not. "Wir hatten kein Geld, Fotos zu kaufen", sagt Benjamin. Im Gegenzug erhalten die Forscher*innen von Katapult Grafiken und Karten, die diese aus Zahlen entwerfen, welche ihnen die Forscher*innen zur Verfügung stellen.

Visualisiert nehmen wir Informationen anders auf

Das Buch hat einen anderen Aufbau. Die Texte sind eher kurz gehalten, die meist 100 doppelseitigen Grafiken machen den Hauptteil aus. "Im Zentrum stehen hier die Karten", sagt Benjamin. Sein Team hat mittlerweile einen speziellen Blick für Nachrichten und die Umgebung entwickelt. Zugutekommt ihnen auch, dass sie im ersten Jahr viel auf Social Media experimentiert haben und dadurch wissen, welche Themen bei den Leser*innen gut ankommen. "Wir scannen Nachrichten auch immer danach, ob man sie irgendwie grafisch darstellen kann."

Er nennt ein Beispiel. "Einmal haben wir in einer Lokalzeitung aus Thüringen eine Meldung gelesen, dass in allen Bundesländern Coca-Cola die beliebteste koffeinhaltige Limonade ist, außer in Thüringen; dort ist es Vita-Cola." Katapult machte daraus eine Deutschlandkarte, in der alle Bundesländer außer Thüringen gleich eingefärbt waren. "Es ist 1:1 die gleiche Nachricht. Aber visualisiert empfinden es die Leute ganz anders", sagt Benjamin.

100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern,
erschienen bei Hoffmann und Campe, 20 Euro.