Die Nachricht kommt, schon wieder, wie ein Schlag ins Gesicht. Seit Sophia Lösches plötzlichem Tod im Juni wünschen sich ihre Freund*innen und Familie Raum, Zeit und Ruhe für ihre Trauer. Sie wollen sich endlich verabschieden können. Stattdessen müssen sie seit vergangenem Wochenende die niederschmetternde Tatsache ertragen, dass Sophias Vermächtnis von Menschen missbraucht wird, deren Weltbild die junge Frau mit aller Kraft ablehnte: von Rechtsextremen.

Bei einer Demonstration von Rechten, darunter Rechtsextreme und Neonazis, in Chemnitz wurden Samstag in einem kleinen Teil des Zuges 23 Fotos durch die Straße getragen. Darauf waren im Großformat Porträts von Menschen zu sehen, die in den vergangenen Jahren Opfer von Gewaltverbrechen wurden. Darunter ein Bild des auf dem Chemnitzer Stadtfest getöteten 35-jährigen Daniel H. Ein Mann trug zudem ein Foto der 28-jährigen Studentin Sophia, die im Juni tot in Spanien aufgefunden wurde, nachdem sie von Leipzig nach Bayern trampen wollte.

Die Initiatoren, AfD und Pegida, nannten das einen Trauermarsch, angeblich für Opfer eines sogenannten Messer-Tourismus, für den sie Geflüchtete verantwortlich machen. Doch schnell wurde klar: Die Opfer wurden für den Zweck rechter Stimmungsmache instrumentalisiert. Vor und hinter dem Plakatzug wurden menschenfeindliche Parolen gerufen, Menschen offen der Tod gewünscht, Hitlergrüße gezeigt. Später griffen Rechtsradikale Polizist*innen und Gegendemonstrant*innen an.

Die Freund*innen und Familie von Sophia sind geschockt, als sie am Sonntag Kenntnis davon erlangen, dass ihr Foto Teil einer rechten Demo wurde. Sie wehren sich dagegen, dass das Bild ihrer Freundin, Schwester, Cousine, Tante und Tochter in diesem Kontext verwendet wird.

"Eine perverse Verdrehung all dessen, wofür Sophia stand"

Am Dienstag treffen sich etwa 20 Freund*innen in einer WG in Berlin, in der Sophia eine Zeit lang wohnte, um sich über den Fall auszutauschen und Transparente an der Hausfassade aufzuhängen. Darauf ist unter anderem zu lesen "Gegen die Instrumentalisierung unserer Trauer durch AfD, Pegida und Co" und "Still loving Sophia, still hating facism".

Wie viele aus ihrem Freund*innenkreis war Sophia politisch engagiert. Sie arbeitete in der Geflüchtetenhilfe, verbrachte dafür etwa einige Monate auf Lesbos, und setzte sich laut ihren Freund*innen immer bedingungslos für Menschlichkeit ein. Das führte schon einmal dazu, dass ihre Familie mit der Verunglimpfung ihres Vermächtnisses zu kämpfen hatte: In sozialen Medien gab es nach der Nachricht über ihren Tod diffamierende Kommentare. Unter anderem wurde sie posthum beschimpft, ihr Tod sei eine "gerechte Strafe" für ihre Arbeit mit Geflüchteten.

Sophia wollte am 14. Juni aus Leipzig, wo sie studierte, in ihre Heimat Richtung Nürnberg trampen. Das war der letzte Kenntnisstand ihrer Angehörigen. Sie war ab diesem Moment nicht mehr telefonisch erreichbar. Eine Vermisstenanzeige ging raus, die Polizei startete eine Öffentlichkeitsfahndung. Sophia wurde etwa eine Woche später tot in Spanien aufgefunden. Der mutmaßliche Mörder, ein Fernfahrer, soll versucht haben, ihre Leiche zu verbrennen. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft.

Sophia ist ein Opfer von Gewalt gegen Frauen." – Sophias Freund*innen und Familie

Dass Sophia nun für die Sache von Rechten herhalten soll, macht ihre Freund*innen und Familie fassungslos. Sophia habe sich immer gegen Ausgrenzung, Rassismus und Menschenfeindlichkeit ausgesprochen. "Dass die Rechtsextremen ihr Bild nun trotzdem im Namen des Hasses herumtragen, zeigt noch einmal mehr, dass sie sich kein bisschen für die gezeigten Personen interessieren. Es ist eine perverse Verdrehung von Sophias Leben und all dessen wofür sie stand", schreiben sie in einer gemeinsamen Nachricht. "Sophia ist kein Opfer von irgendeiner Einwanderungspolitik – nicht nur, weil der Tatverdächtige gar kein in Deutschland lebender Immigrant war. Sophia ist ein Opfer von Gewalt gegen Frauen." 

Die Familie wird rechtliche Schritte einleiten

Der Fall reiht sich ein in eine lange Kette aus Schmerz und Enttäuschung darüber, wie nach Sophias Tod mit ihrem Andenken umgegangen wurde – auch durch die Behörden. Ihre Angehörigen mussten unter anderem über zwei Monate darauf warten, dass ihre Leiche von Spanien nach Deutschland überführt wurde, woraufhin sie endlich beerdigt werden konnte.Sophias Freund*innen und Familie sagen zum Vorfall in Chemnitz: "Diese Veranstaltung war kein Ort der aufrichtigen Trauer um Sophia oder sonst irgendjemanden, sondern ein

Ort der Hetze und der Niedertracht

." Wer wirklich trauere, seien sie. Weil sich Sophia selbst nicht mehr wehren könne, sehen sie es als ihre dringende Pflicht an, gegen eine Instrumentalisierung ihrer Person vorzugehen. 

In einem weiteren Schritt sollen daher nun laut der Familie rechtliche Schritte eingeleitet werden. Sie wollen zweifach Anzeige erstatten: einmal gegen den Träger des Plakats, und einmal gegen Lutz Bachmann, der ein Video über seine Facebookseite teilte, in dem die Plakate zu sehen sind. Laut ihres Anwalts gäbe es dafür Erfolgsaussichten, obwohl das Foto während der Suche nach Sophia oft in Medien verwendet wurde. Das Recht auf öffentliche Verwendung ihres Fotos erlosch, als ihre Leiche gefunden und der Verdächtige verhaftet worden war.

Doch selbst wenn die Anzeige nicht zu einem Erfolg führen sollte: Den Freund*innen und der Familie von Sophia geht es mittlerweile auch ums Prinzip. Und darum, Rechten zu zeigen, dass ihre Taten Konsequenzen mit sich ziehen. Sie werden daher nicht klein beigeben: "Wir lassen nicht zu, dass das Andenken an unsere Sophia für ausländerfeindliche Zwecke missbraucht wird."