Bei der traditionellen Essensfotografie geht es darum, Speisen möglichst perfekt zu inszenieren. Um sie appetitlich anzurichten, bedienen sich sogenannte Food-Stylist*innen teils unappetitlicher Tricks. Unter anderem mit Kleber, Autopolitur, Rasierschaum und Trockeneis manipulieren sie Nahrungsmittel so, dass sie ihr schönstes Selbst präsentieren können und Betrachter*innen das Wasser im Mund zusammenläuft. Die Speisen werden lackiert, drapiert und fixiert, sie werden gefärbt, verbrannt und befeuchtet, bis sie zwar nicht mehr genießbar sind, aber zumindest auf dem Foto äußerst schmackhaft aussehen. Gemeinsam ist allen professionellen Essenfotos, dass sie die ganze Speise abbilden, nicht bloß einen Teil. Vielleicht ist zur Veranschaulichung hie und da ein Bissen abgebissen, aber der Großteil ist vorhanden.

Beth Galton kennt die Tricks der Branche. Sie ist Essens- und Stilllebenfotografin aus New York und hat bereits unzählige Speisen in Szene gesetzt. Für ihr Projekt Cut Food beschränkte sie sich nicht darauf, lediglich die Oberfläche von Lebensmitteln aufzuhübschen: Sie halbierte ihre Modelle exakt in der Mitte, machte einen Querschnitt und zeigte das Innenleben einer Speise. "Damit gehen wir über den einfachen Appetitappell hinaus, den wir normalerweise zu erreichen versuchen und erkunden die Innenwelten der Produkte", sagt Galton.

Querschnitte sind zwar nicht neu – vom Kaffeetrinken kennen wir aufgeschnittene Torten und Kuchen – allerdings teilte die Fotografin unüblichere Lebensmittel. Unter anderem halbierte sie für ihr Projekt Hühnernuggets, Eiscreme, Pfannkuchen oder ganze Gerichte wie gefülltes Hähnchen und Spaghetti mit Hackbällchen. Selbst vor Flüssigem machte sie nicht Halt: Gemüsesuppe, Cola und ein Becher Kaffee mit Milch sind halbiert auf ihren Fotos zu sehen.

Schmecken ohne kosten

Die Fotos sollen bei den Betrachter*innen ähnliche Gefühle auslösen wie ein Zauberer, der ein Kaninchen aus seinem Hut zieht, sagt Galton. "Meine Ziel war es, Fotos von Essen zu machen, das so aussieht, als ob es magisch halbiert wurde und dabei trotzdem so real wie möglich erscheint." Dabei hat die Umsetzung nur wenig mit Magie zu tun. Im Gegenteil: Sie ist mindestens genauso technisch wie traditionelle Food-Fotografie.

Galton verwendete unter anderem Klebstoff, Scheren, Sägen und Backfett, um die einzelnen Objekte köstlich aussehen zu lassen und in Form zu halten. Flüssigkeiten reicherte sie mit Gelatine an, damit sie nicht ausliefen. Und manchmal war es notwendig, mehrere Fotos von einer Speise zu schießen und sie hinterher zu einem zusammenzufügen.

Laut Galton möchte sie mit ihren Fotos eine engere Beziehung zwischen dem Aussehen und dem Geschmack von Nahrungsmittel herstellen. Damit Betrachter*innen alleine durch die Kraft ihrer Vorstellung die Speise schon fast schmecken können – ohne dieses eine Brathähnchen oder die Nudelsuppe tatsächlich gekostet zu haben.

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