Unser ganzes Leben ist von der Uhrzeit abhängig. Früh morgens läutet der Wecker, wir werden zu einer bestimmten Zeit auf der Arbeit erwartet, wir sollen eine gewisse Stundenanzahl dort verbringen. Wir richten uns beim Frühstück, Mittag- und Abendessen nach der Uhrzeit. Wir sagen Dinge wie "Grundgütiger, es ist schon halb 12!". Wir stehen mit der Uhrzeit gleichsam in einem Abhängigkeitsverhältnis, das wir noch dazu freiwillig eingehen.

Eine Insel im Norden Norwegens möchte sich von diesem Zwangsverhalten befreien und die dort geltende Zeit abschaffen. Weil auf Sommarøy in den Sommermonaten die Sonne fast 70 Tage nicht untergeht, bemüht sich nun die Insel darum, offiziell als erste zeitfreie Zone der Erde anerkannt zu werden. Weil es immer hell sei, müsse man gar nicht so genau wissen, wie spät es gerade ist, sagt Kjell Ove Hveding von der entsprechenden Initiative auf Sommarøy der dpa.

"Wenn du im Norden Norwegens lebst, macht es keinen Sinn, über Zeiten fürs Abendessen oder irgendeine andere Zeit zu reden", sagt Hveding. "Uns wird beigebracht, abends ins Haus zu gehen und um 21.00 Uhr Fernsehen zu gucken. Wir denken darüber gar nicht nach. Aber warum soll man um 17.00 Uhr essen, wieso nicht erst um 22.00 Uhr? Lasst uns um Mitternacht Fußball spielen, warum nicht?"

In der Nacht scheint die Mitternachtssonne

Auf der Insel leben etwa 350 Bewohner*innen, sie liegt bei Tromsø im hohen Norden Norwegens. Laut Hveding würde die Sonne vom 18. Mai bis zum 26. Juli kein einziges Mal hinter dem Horizont verschwinden. Daher würden Kinder auch mitten in der Nacht draußen spielen und Hausbesitzer*innen ihre Fassaden auch mal nachts streichen. Aufgrund der Mitternachtssonne seien Uhren daher überflüssig. Ziel sei vollständige Flexibilität, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Natürlich müssten Kinder und Jugendliche weiterhin zur Schule und Erwachsene zur Arbeit gehen. Sie sollen aber nicht mehr an bestimmte Zeiten gebunden sein.

Hveding sei bewusst, dass sein Vorschlag etwas verrückt ist. Trotzdem sei die Abschaffung der Uhrzeit eine ernsthafte Forderung. Eine Petition wurde bereits unterzeichnet und einem Parlamentsmitglied überreicht. Ob die Regierung dem Vorschlag zustimmt, ist noch nicht abzusehen.