Die Lage ist verzwickt: In einer längeren monogamen Beziehung fühlen wir uns geborgen und sicher, lassen deshalb nach und nach alle Mauern fallen und nehmen den*die Partner*in oft als selbstverständlich hin. Deshalb reißen wir uns weniger zusammen und sagen Dinge, die bestenfalls gedankenlos und schlimmstenfalls verletzend sind – gerade, weil wir uns sicher fühlen. Doch diese Sicherheit ist trügerisch.

Denn wenn sich ein*e Partner*in in der Beziehung fies verhält, sinkt bei dem*der anderen die Motivation, die Beziehung vor externen Bedrohungen zu schützen – freie Fahrt für wilde Flirts. Das haben israelische Wissenschaftler*innen aus Tel Aviv unlängst herausgefunden.

Zurückweisung = Interesse an anderen

Dafür haben Professorin Gurit Birnbaum und Kolleg*innen gleich vier verschiedene zusammenhängende psychologische Untersuchungen durchgeführt und sich genau angeschaut, inwieweit Beziehungsprobleme die Beteiligten tatsächlich anfälliger für außerpartnerschaftliche Verlockungen machen.

Ergebnis der Studie: Diejenigen, die sich innerhalb ihrer Beziehung in jüngster Zeit häufiger enttäuscht, verletzt, abgelehnt oder ignoriert fühlten, hatten weniger sexuelles Verlangen für ihren*ihre Partner*in. Stattdessen zeigten sie in den Experimenten deutlich mehr pro-aktives Interesse an anderen Menschen – und zwar nur dann, wenn in der Beziehung wirklich etwas schief lief.

Wer verletzt ist, guckt sich um

Anders gesagt: Wer sich in der aktuellen Beziehung nicht wohlfühlt, flirtet ganz offen mit attraktiven Fremden. "Unsere Forschung beweist, dass verletzendes Verhalten das Verlangen verringert und zumindest zeitweise auf andere, scheinbar vielversprechendere Partner lenkt", schreibt Professorin Birnbaum.

Erstaunlich daran ist, dass sich die Aufmerksamkeit nicht nach innen richtet, um die Probleme innerhalb der Beziehung zu lösen – sondern definitiv nach außen. "Menschen reagieren auf interne Bedrohungen, indem sie sich defensiv vom Partner distanzieren, anstatt beziehungsfördernde Strategien anzuwenden", so Gurit Birnbaum. Die sexuelle Anziehung zu anderen Menschen könne möglicherweise dabei helfen, das Gefühl der Verletzung durch den*die Partner*in zu lindern oder zu überwinden.

Fiese Fehler in der Beziehung

Wenn in einer Beziehung zum Beispiel Dialoge stattfinden wie "Ich glaube, wir haben ein Problem und ich würde gern mit dir darüber reden" – "Ach was, das täuscht. Ist doch alles prima!", stellt sich irgendwann ein Gefühl allumfassender Ohnmacht ein. Auch mangelndes Interesse am Leben des*der anderen, ständiges Smartphone-Gedaddel, gedankenlos ausgespuckte Herabwürdigungen wie "Als ob DU wüsstest, wie das geht …" oder "War ja klar, dass das jetzt wieder so läuft …", Augenrollen, Sarkasmus und Zynismus sind zehntausend Säuretröpfchen, die selbst die leidenschaftlichste Liebe irgendwann zersetzen.

Das heißt selbstverständlich und explizit nicht, dass im Falle einer Affäre der*die Betrogene schuld am Fehltritt hat – jeder Mensch ist für seine eigenen Handlungen ganz und gar allein verantwortlich. Davon abgesehen, dass eine monogame Beziehung nicht für jedes Paar die einzig mögliche und passende Lösung sein muss. Aber wer sich nicht um die Beziehung und den*die anderen bemüht und kümmert, sich nicht respekt- und liebevoll verhält, trägt entscheidend zum Scheitern bei. In welcher Form und wann auch immer sich das letztlich äußert.

Lieb sein hilft

Statt sich anzuzicken oder zu ignorieren und sich dann wegen mangelnder Zuneigung anderweitig umzuschauen, zahlt es sich aus, bewusst an der Beziehung zu arbeiten. Also Probleme offen anzusprechen und aktiv zuzuhören, einander aufrichtig zu vergeben und sich gemeinsam um Intimität zu bemühen. Der beste Schutz gegen Untreue ist also, lieb zueinander zu sein und aufeinander zuzugehen. Das wichtigste Kriterium, wenn es um eine lange und glückliche Beziehung geht, ist laut einer weiteren Studie eigentlich recht unscheinbar und dennoch so entscheidend: Freundlichkeit.