In unserer Reihe Aus der Schule schreiben Schüler*innen für ze.tt, was sie in ihrem Alltag bewegt.

Minoka Braun: Rache@ von Antje Szillat

In der siebten Klasse stand der Titel Rache@ auf dem Plan, der mich besonders beeindruckt hat, da er das Thema Cybermobbing übers Internet und per E-Mail behandelt. Mobbing ist an unserer Schule, auch in meiner Klasse, ein großes Thema. In dem Roman geht es um den Außenseiter Ben, der mit seiner Familie umzieht und auf eine neue Schule wechselt. Die meisten seiner neuen Mitschüler*innen behandeln ihn wie Luft, eine Clique mobbt ihn.

Das Buch wird mir in Erinnerung bleiben, weil es anschaulich thematisiert, welche verheerenden Folgen Cybermobbing haben kann.

Die einzige Person, die sich mit ihm abgibt, ist Marcel. Er hilft Ben zunächst mit der Clique, dann knöpfen sich die Jungs ihren nervigen Mathelehrer Seidel vor. Nachdem die Jungs wieder einmal Stress mit Herrn Seidel hatten, starten sie eine fiese Mobbingaktion im Netz. Die Sache fliegt auf und Ben und Marcel werden vom Unterricht suspendiert. Ben denkt, dass jetzt nichts Schlimmeres mehr passieren kann, doch dann rastet Marcel komplett aus. Das Buch wird mir in Erinnerung bleiben, weil es anschaulich thematisiert, welche verheerenden Folgen Cybermobbing haben kann.

Felix Heck: Der Steppenwolf von Hermann Hesse

Meine erste Begegnung mit Hermann Hesses Der Steppenwolf war vor allem von einer Emotion geprägt: blankem Entsetzen. Um uns Schüler*innen einen leichteren Einstieg ins Thema zu ermöglichen, hatte unsere Lehrerin dem Deutschkurs eine Runde Theaterluft verschrieben. Die Inszenierung glich dabei am ehesten einem gewöhnungsbedürftigen Horrorkabinett und schreckte von der tiefergehenden Lektüre im Unterricht erst einmal deutlich ab. Entsprechend widerspenstig begann ich kurz darauf, das Original zu lesen – legte es aber fortan nicht mehr aus der Hand.

Der Steppenwolf war für mich daher immer eine spannende Reflexion des eigenen Daseins zum richtigen Moment.

Dabei ist die Romanvorlage natürlich nicht weniger verstörend als das Theaterstück. Der Steppenwolf ist mit seinen Drogentrips und der durchweg depressiven Tonlage vermutlich das berührendste Buch meiner gesamten Schulkarriere. Der Steppenwolf nimmt seine Leser*innen wirklich ernst – das ist ein Gefühl, das nicht viele hochtrabende Literaturepen bei mir erzeugen konnten. Wo Goethe aus dem Elfenbeinturm dichtet und Friedrich Schiller verkorkst vor sich hin sinniert, scheint Hermann Hesse beinahe wie ein väterlicher Freund, ganz nah und direkt bei den (jungen) Menschen. Mit den Augen des Schriftstellers lässt sich vieles in dieser verrückten Verquickung aus Lebensrealität und Höllenabenteuer besser wahrnehmen.

Der Steppenwolf war für mich daher immer eine spannende Reflexion des eigenen Daseins zum richtigen Moment. Schließlich stellt man sich gerade in der Prüfungszeit oft die Frage nach dem Sinn des Lebens und des Lernens – Fragen, auf die dieses Buch eifrig mögliche Antworten sammelt. Heute, nach knapp 280 Seiten Steppenwolf, weiß ich nun, dass nicht alles im Leben so sein muss, wie es scheint, dass wir uns gerne auch mal selbst belügen und dem Humor als Problemlöser mehr Chancen einräumen sollten als dem Alkohol. Ach ja, und ein kleines botanisches Easter Egg habe ich auch aus dem Steppenwolf mitgenommen: Ich weiß jetzt, dass die Araukarie als monotones Grüngewächs in keinem biederen Bürgerhaushalt mehr fehlen darf.

Franziska Sittig: Die Verwandlung von Franz Kafka

Nachdem ich – gebeutelt vom stilistischen Anspruch – Tod in Venedig in die Ecke geschmissen habe und mir die nächste Schullektüre greifen musste, waren sowohl meine Ausdauer als auch die Illusion eines bereichernden, mitreißenden Lesegenusses fast verbraucht. Nicht, dass ich die Novelle von Thomas Mann oder auch andere Schullektüren nicht verstanden hätte. Ich hatte mir aber von der Beschäftigung mit literarischen Werken, meist von Weltrang, irgendwie mehr erhofft, als deren zentrale Aussagen in Unterrichtsdiskussionen im Schnelldurchlauf um die Ohren geknallt zu bekommen – nur um sie dann in irgendeinem Klausurvorwort mal einbauen zu können.

Wegen der Lektüre habe ich eine Reise nach Prag geplant.

Rein äußerlich sah Die Verwandlung schon mal angenehm unaufgebläht aus, bestimmt nicht einmal 100 Seiten lang. Erster Pluspunkt. Und auch die Lesedauer war plötzlich um einiges kürzer als noch bei Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, bestimmt nicht einmal 100 Minuten. Doch ich klatschte nicht nur einfach in die Hände und freute mich meines Lebens wegen der kurzen und kurzweiligen Lektüre. Vielmehr war ich fasziniert von der ungeheuren Kraft dieses verrätselten, chiffrierten Erzähltextes, die durch klare, geradlinige Satzstrukturen bestens gestützt wurde. Ohne stilistisch-überfrachtete Hypotaxen in Mann’scher Manier – und doch in höchstem Maße kunstvoll und genial. Eben auf eine eigene Art und Weise, dem die Literaturwissenschaft sogar einen eigenen Begriff zugeschrieben hat: Das

Kafkaeske

, das Absurde, auf unerklärliche Weise Bedrohliche.

Die so von mir empfundene kafkaeske Magie verleitete den Lehrer bedauerlicherweise nicht dazu, sich einige Schulstunden mehr für Die Verwandlung Zeit zu nehmen. Aber dieses Mal war es für mich nicht notwendig, mich mit komprimierten Unterrichtsdiskussionen in hektischem Drei-Tage-Vor-Deutsch-Abi zufriedengeben zu müssen. Anders als bei vielen vorherigen Werken – literarische Meisterleistungen sie zweifellos alle sein mögen – hat mich Die Verwandlung zum ersten Mal dazu veranlasst, mich selbstständig mit tieferen Aussagen der Geschichte und möglichen Intentionen Kafkas auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt habe ich wegen der Lektüre eine Reise nach Prag geplant, um dem unwirklichen, rätselhaften Charakter des Kafkaesken live in der Heimatstadt des Autors auf den Grund zu gehen.

Jean Michel Dumler: Die Physiker von Friedrich Dürrenmatt

Zwar habe ich in meiner Freizeit schon immer gern gelesen, doch nach einiger Zeit habe ich eine negative Haltung gegenüber Schullektüre bekommen. Ich musste mich mit Büchern befassen, die schrecklich geschrieben waren oder Themen ansprachen, die wir im Unterricht schon tausendmal durchgekaut hatten. Und irgendwann hatte ich keine Lust mehr, ein Buch monatelang zu Tode zu analysieren. Die Physiker von Friedrich Dürrenmatt war eine der glücklichen Ausnahmen. In dem Drama geht es um drei Physiker in einer psychiatrischen Klinik, die sich als psychisch Kranke ausgeben, sodass deren gefährliche wissenschaftliche Errungenschaften nicht an die Öffentlichkeit kommen.

Schullektüre soll natürlich auch belehren, aber ich denke, das Hauptziel sollte sein, Schüler*innen für Literatur zu begeistern.

Die Problematik, wie viel Verantwortung die Wissenschaft in der Politik hat und ob ein gewisser Ethikkodex unter Wissenschaftler*innen existieren sollte, war für mich wahnsinnig interessant. Zum ersten Mal bestand das Besprechen eines Buches nicht aus plumpen Kapitelzusammenfassungen oder durchgekauten Fragen, sondern aus einem hoch aktuellen Gedankenexperiment. Obendrein ist Die Physiker ziemlich lustig geschrieben. Es gab selten Bücher, die mich zum Lachen gebracht haben, aber dieses Drama besitzt zwischendurch einen so herrlich bösen Humor, dass man nie die Lust verliert, weiterzulesen. Schullektüre soll natürlich auch belehren, aber ich denke, das Hauptziel sollte sein, Schüler*innen für Literatur zu begeistern. Mit den Physikern gelingt das sicher immer.