"Ich bin gerade an einem Flughafen, in einem Flugzeug und hier ist eine Person, die nach Afghanistan abgeschoben wird", beginnt Elin ihr Livevideo auf Facebook. Die junge Schwedin filmt sich mit der Kamera ihres Handys, andere Personen sind nicht im Video zu erkennen. Plötzlich wackelt das Bild, jemand hat versucht, Elin ihr Handy wegzunehmen. Der Flug soll von der schwedischen Großstadt Göteborg nach Istanbul gehen, von dort soll ein 52-jähriger Mann nach Kabul, Afghanistan, abgeschoben werden, wie Elin im Video erzählt. Das möchte die Aktivistin jedoch verhindern und weigert sich schlicht, ihren Sitzplatz einzunehmen und sich anzuschnallen.

Stattdessen läuft sie durch den engen Gang des Flugzeugs und kommentiert die Geschehnisse auf Englisch in einem Livevideo, das sie auf ihrer Facebookseite veröffentlicht. Solange Elin nicht auf ihrem Platz sitzt, darf das Flugzeug nicht abheben – und genau das ist ihr Ziel. Die Versuche, ihr das Handy wegzunehmen, blockt sie ab und bleibt standhaft: "Die Leute, die hier arbeiten, wollen mir mein Handy wegnehmen, weil hier eine Person nach Afghanistan abgeschoben wird. Aber dort herrscht Krieg und er wird wahrscheinlich getötet", erklärt sie. Eigentlich sollte eine andere Person sich in dem Flugzeug befinden, die ebenfalls abgeschoben werden sollte, doch offenbar befindet sich diese nicht an Bord. Stattdessen sitzt der 52-jährige Mann im Flieger, für den Elin sich nun einsetzt.

Ich tue, was ich kann, um das Leben eines Menschen zu retten!" – Elin Ersson

Sie erklärt, dass der Pilot der Maschine das Recht habe, den Mann des Flugzeugs zu verweisen – und somit die Abschiebung zu verhindern. Sobald das geschehen ist, so Elin, würde sie sich den Vorschriften entsprechend verhalten und das Abheben des Flugzeugs nicht weiter verzögern. Ein Mitarbeiter der Kabinencrew kommt auf sie zu, fordert sie auf, das Video zu unterbrechen und teilt ihr mit, dass sie sich hinzusetzen habe und der Flug ja schließlich nach Istanbul und nicht direkt nach Afghanistan gehen würde. Dort würde man, so der Mitarbeiter, dann entscheiden, was weiter passieren soll. Er fügt hinzu: "Du tust nicht, was du an Bord tun solltest!" Doch Elin erwidert: "Ich tue, was ich kann, um das Leben eines Menschen zu retten!" Außerdem betont sie, dass ihre Aktion legal sei und sie damit kein Verbrechen begehe.

Während sie durch den Gang läuft, erklärt sie den anderen Passagier*innen, was los ist und warum sie sich weigert, ihren Sitzplatz einzunehmen. Dabei scheint sie auf Unverständnis zu stoßen und sagt: "Es tut mir sehr leid, dass ein Mann wahrscheinlich sterben wird, und Sie sich mehr Sorgen um ihren Anschlussflug machen." Außerdem erläutert sie einem Mitarbeiter der Kabinencrew abermals ihr Anliegen: "Ich möchte, dass der Pilot sagt, dass er den Flug nicht durchführen wird, wenn eine Person an Bord abgeschoben wird."

Applaus für Elin

Doch Elin trifft anscheinend nicht nur auf Unverständnis, sondern auch auf Zustimmung. Sie beschreibt, dass die Mitglieder einer Fußballmannschaft ebenfalls ihre Plätze verlassen haben und sich mit Elin solidarisieren, Applaus ist im Hintergrund zu hören. Offenbar nimmt die Aktion Elin auch emotional mit, sie fängt an zu weinen, bleibt aber standhaft, setzt sich weiterhin für den 52-jährigen Mann ein und betont, dass sie gerne den Regeln folgt, sobald der Mann das Flugzeug verlassen hat.

Plötzlich öffnen sich die Türen der Maschine: Elin und der 52-Jährige sollen das Flugzeug verlassen. Sie besteht jedoch darauf mit eigenen Augen zu sehen, wie er die Maschine verlässt. Das Gepäck des Mannes wird rausgetragen, die anderen Passagier*innen klatschen und Elin, die mit den Tränen kämpft, begibt sich zum Ausgang. Dabei erklärt sie: "Da war heute nur eine Person im Flugzeug, aber da werden noch mehr sein." An der Tür angekommen, pfeift der Wind in das Mikrofon ihres Handys, sie unterhält sich mit einer Person auf Schwedisch, dann endet das Video.

Aktion offenbar geplant

Laut Informationen der Tageszeitung Welt war Elin nicht zufällig an Bord des Flugzeugs, die Aktion war offenbar geplant. Die junge Schwedin setzt sich schon länger gegen die Abschiebung von Menschen nach Afghanistan ein und postete entsprechende Inhalte auf ihrer Facebook-Seite. Die schwedische Zeitung ETC berichtet von insgesamt 25 Aktivist*innen, zu denen auch Elin gehört. Außerdem sprach ETC mit Hans Uhr, dem Pressesprecher des Flughafens, der bestätigte, dass Elin und eine weitere Person das Flugzeug verlassen hätten. Insgesamt habe die Aktion, wie Uhr sagt, den Abflug der Maschine um zwei Stunden verzögert. Informationen darüber, was mit dem 52-jährigen Mann und Elin nach der Aktion genau passierte, liegen noch nicht vor. Das Video wurde bisher 2,1 Millionen Mal aufgerufen und über 32.000 Mal geteilt.