Wenn eine Unterhaltung mit "Und, wie läuft's so?" beginnt, ist abzusehen: Das Gespräch wird voraussichtlich kein langes werden. "Gut, bei dir?" "Ja, auch." Ende. Aber selbst wenn zwei Menschen ein längerer Wortaustausch gelingt, bedeutet das nicht, dass die verbale Auseinandersetzung inhaltlich wertvoll ist.

Oft sind sogar die längeren Gespräche weitaus zäher und daher ärgerlicher als kurze "Wie geht's?"-Intermezzi. Entweder weil eine Person sie zu einem Monolog über die eigenen Erlebnisse und Meinungen erklärt. Oder weil sie die Antworten des Gegenübers gar nicht hören will. Oder beides: "Du hast deinen Job hingeschmissen und willst auswandern, aufregend – hab ich dir erzählt, dass ich mein Leben auch umwälze? Habe mir eine Siebträgermaschine gegönnt. Schickes Teil. Bester Kaffee. Nie wieder Filter."

Die Berliner Zeichnerin Julia Bernhard hat eine Graphic Novel mit ätzenden Gesprächen gefüllt. Ihre Protagonistin muss in Wie gut, dass wir darüber geredet haben einiges aushalten: Mal ist es ihre Oma, die sie nach ihrem Leben ausfragt, bloß um ihren Senf dazuzugeben. Mal ist es ihr love interest, das herumschwafelt, statt direkt zu sagen, dass es Schluss machen will. Als Leser*in schlüpft man in die Protagonistin und muss die Szenen aus der Ich-Perspektive ertragen.

Wie macht man's besser? Wir haben mit Julia Bernhard ein Gespräch über Gespräche geführt.

ze.tt: Julia, wieviel Prozent unserer Unterhaltungen sind eigentlich überflüssig?

Julia Bernhard: Ich fürchte, das meiste, das wir von uns geben, ist nur Geräusch. Ich schätze einfach mal: 75 Prozent unserer Unterhaltungen bringen uns eigentlich nicht weiter.

Diese 75 Prozent muss deine Protagonistin in Wie gut, dass wir darüber geredet haben permanent ertragen. Kann man selbst ätzenden Gesprächen vielleicht doch etwas Positives abgewinnen?

Die Gespräche in meiner Graphic Novel helfen meiner Protagonistin zumindest dabei, das Weltbild ihrer Gegenüber zu verstehen. Aus jedem Gespräch nimmt sie die Erkenntnis mit, inwiefern sie mit ihren Gesprächspartner*innen kompatibel ist: So gut wie gar nicht. Vernünftige Kommunikation ist das also nicht.

Sobald eine Monologsituation entsteht, ist Kommunikation gescheitert.
Julia Bernhard

Ab wann kann man Kommunikation als gescheitert bezeichnen?

Wenn das Gegenüber überhaupt nicht auf einen eingeht, wie das bei meiner Protagonistin der Fall ist. Sie findet sich in Situationen wieder, in denen ihre Gegenüber vor allem über sich selbst reden wollen und über ihre Weltanschauung. Meine Protagonistin bekommt keine Gelegenheit, wirklich etwas beizutragen. Und im besten Fall ist Unterhaltung ja immer etwas, das von beiden ausgeht. Sobald eine Monologsituation entsteht, ist Kommunikation gescheitert.

In der Pressemappe zu deiner Graphic Novel wirst du damit zitiert, dass es einen Unterschied in der Kommunikation zwischen Männern und Frauen gäbe. Worin besteht der?

Ich finde, dass Männer und Frauen Kommunikation auf unterschiedliche Arten beigebracht bekommen. Frauen lernen, dass sie eher Personen sind, an denen sich in Monologen abgearbeitet wird. Männer hingegen wird viel früher ein gesundes Selbstbewusstsein mitgegeben, dass sie ein Gespräche unterbrechen dürfen oder sagen sollen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind. Bei Mädchen wird es immer ein bisschen abgestraft, wenn sie das Bedürfnis haben, sich in einer Unterhaltung zu behaupten. Ich habe aber das Gefühl, das wird bei den jüngeren Generationen besser.

Woran merkst du das?

Ich bemerke das beispielsweise bei meiner kleinen Schwester, sie ist Jahrgang 2001. Bei ihr und Mädchen in ihrem Alter habe ich das Gefühl, dass sie viel weniger krasse weibliche Rollenklischees erfüllen wollen. Anfang der 1990er und Anfang der 2000er waren Frauen noch femininer und gefälliger. Mittlerweile gibt es vermutlich auch mehr Vorbilder, die lauter sind.

Wenn man sich auf Augenhöhe vernünftig unterhalten will: Was ist die ideale Atmosphäre dafür?

Wenn man sich gegenübersitzt, ist das meiner Meinung nach noch immer die angenehmste Gesprächsatmosphäre. In meiner Graphic Novel scheitern die Gespräche häufig auch daran, dass es in der Umgebung recht hektisch ist: Katzen springen durch die Gegend oder Besucher*innen eines Cafés streiten sich oder knutschen. In diesen Situationen gibt es zu viel Ablenkung für ein gutes Gespräch. Am besten ist es, man setzt sich zu zweit aufs Sofa und jede*r bringt für die andere Person viel Interesse mit.