Seit 21 Jahren leitet Christian Koch die Krimibuchhandlung Hammett in Berlin-Kreuzberg. Rund 7.000 Bücher hat er in seinem 35 Quadratmeter großen Laden stehen. Natürlich hat er nicht alle gelesen – aber viele. "Ich lese pro Woche zwei Krimis", sagt er. Für ze.tt stellt er einmal im Monat seine drei liebsten Neuerscheinungen vor.

Jeanine Cummins: American Dirt

Worum geht es?

In Acapulco, Mexiko, wird die Familie von Lydia durch Killer*innen eines dortigen Drogenkartells ermordet. Weil ihr Mann, ein Journalist, über das Kartell berichtet hat, wurde er getötet und Lydia muss mit ihrem kleinen Sohn fliehen. In Mexiko kann sie keiner*m mehr trauen und so wählt sie den Güterzug   um vom Süden in den Norden Mexikos und zur US-Grenze zu kommen. Mit Aufspringen auf den Zug betritt sie eine andere Welt.

Wer hat es geschrieben?

Jeanine Cummins ist in Spanien geboren, hat in Maryland / USA Kommunikation und Englisch studiert und ging danach für ein paar Jahre nach Belfast um dort als Barkeeperin zu arbeiten. Zurück in den USA arbeitete sie zehn Jahre beim Penguin Verlag in New York. American Dirt ist ihr viertes Buch und ihr erster Kriminalroman.

Wie habe ich mich beim Lesen gefühlt?

Die Fluchtgeschichte stellt früh für eine klare Gut-Böse-Konstellation her. Mich hat es stark an einen Film mit nur einer Kameraeinstellung erinnert. Klasse! Durch den Zug als Fluchtmittel bist du für Stunden in einer komplett anderen Welt, in der Flüchtende gezwungenermaßen leben müssen.

Warum dieses Buch in diesen besonderen Zeiten?

American Dirt bietet Hochspannung pur und extrem viel Infos zu den Situation der Migrant*innen aus den verschiedenen Ländern Südamerikas. Die Unmenschlichkeit der Grenze wird hier nochmal in anderem Licht gezeigt. In dieser Phase mit viel mehr Zeit kannst du die gerade herrschende Diskussion in der Literaturwelt um das Buch ausführlich verfolgen. Stichwort: Kann und darf eine weiße Frau einen Roman mit einer mexikanischen Protagonistin schreiben?

Wie viele Punkte?

8 von 10 Patronen.

Oyinkan Braithwaite: Meine Schwester, die Serienmörderin

Worum geht es?

Lagos, Nigeria. Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ayoola ist die jüngere, traumhaft schön, und sie hat die fatale Angewohnheit, ihre Lover umzubringen. Korede ist die ältere, eher praktisch veranlagt. Als Krankenschwester kennt sie die besten Tricks, um Blut zu entfernen, und in ihrem Kofferraum ist Platz genug für eine Leiche. Dann verknallt sich leider auch Tade, ein Arzt aus dem Krankenhaus, in Ayoola, obwohl er doch eigentlich für Korede bestimmt ist. Wer schützt jetzt wen?

Wer hat es geschrieben?

Oyinkan Braithwaite, 1988 geboren, hat Kreatives Schreiben und Jura studiert, in einem nigerianischen Verlag und in einer Produktionsfirma gearbeitet. Heute ist sie als freie Autorin tätig. Sie lebt in Lagos, Nigeria. Mit dem Roman war sie für den Booker Prize nominiert.

Wie habe ich mich beim Lesen gefühlt?

Sauwohl und grandios erheitert. Wenn du gnadenlos überrissene, dunkelhumorige Storys magst, bist du hier zu hundert Prozent richtig! Neben all dem Humor und Sarkasmus erzählt dir die Autorin viel über das Leben in Nigeria und über die endlich zunehmende Emanzipation der Frauen in einer verkrusteten Männerwelt.

Warum dieses Buch in diesen besonderen Zeiten?

In diesen entschleunigten Zeiten entfaltet etwas so wunderbar Überzeichnetes eine ganz besondere Kraft. Lachen ist gerade so wichtig und hier kommt noch das mutmachende Element hinzu, sich auch aus ausweglosen Situationen befreien zu können.

Wie viele Punkte?

9 von 10 Patronen.

Nicolas Zeimet: Rückkehr nach Duncan's Creek

Worum geht es?

Nach einem Anruf seiner Jugendfreundin Sam Baldwin ist Jake Dickinson gezwungen, nach Duncan's Creek zurückzukehren, ein kleines Dorf in Utah, wo sie zusammen aufgewachsen sind. Dort lebt noch Ben McCombs, den er seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Die drei Teenager, die damals eine scheinbar unerschütterliche Freund*innenschaft verband, trennten sich Anfang der 90er-Jahre unter dramatischen Umständen. Seitdem haben sie ihre Vergangenheit begraben und versuchen, jede*r für sich, weiterzuleben. Aber um Hilfe zu bekommen, müssen sie sich der sprichwörtlichen Leiche im Keller stellen.

Wer hat es geschrieben?

Nicolas Zeimet wurde 1977 geboren. Neben dem Schreiben arbeitet er als Übersetzer und lebt in Paris. Er ist bekennender Fan des amerikanischen Kinos und der Kultur der 80er-Jahre.

Wie habe ich mich beim Lesen gefühlt?

Angenehm jung! Eine Zeitreise in die Jugend der Clique und wohl auch in die eigene. Ein extrem filmisch erzähltes Buch, sodass du den großen Kinofilm beim Lesen gratis mit dazubekommst. Die intensive Darstellung der Figuren ist höchstens mit Teilen des Werks von Stephen King zu vergleichen.

Warum dieses Buch in diesen besonderen Zeiten?

Rückkehr nach Duncan's Creek verbindet ungemein intensiv Bewegung und Gefühl, aber auch andere Motive: Freund*innenschaft, dunkle Geheimnisse, Sehnsucht und unerwiderte Liebe. Genau richtig um sich in Zeiten von Corona zu Hause einzurichten und trotzdem viel zu spüren.

Wie viele Punkte?

7 von 10.