"Verehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Bundesregierung,

ich bin in großer Sorge um das Land und die Bevölkerung. Die Stimmung auf der Straße wird zunehmend bedrohlicher. Mich erreichen täglich dutzende Nachrichten von Menschen, die in Deutschland aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer Herkunft herabwürdigend behandelt werden."

Mit diesen Worten beginnt Michel Abdollahi einen Brief an die mächtigsten Köpfe des Landes. Der 37-jährige Conférencier, Performer und Journalist veröffentlichte ihn am Samstagabend auf Facebook. Darin beschreibt er, warum er sich große Sorgen um die Zukunft Deutschlands mache.

Rechte Gewalt-Proteste in Chemnitz, ein LKA-Mitarbeiter, der bei der islam- und fremdenfeindlichen Pegida mitläuft, Journalist*innen, die bei ihrer Berichterstattung gehindert werden, KSK-Einheiten der Bundeswehr, die den Hitlergruß zeigen, Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutzes, der sich zu Verschwörungstheorien hinreißen lässt und Horst Seehoferer, Bundesinnenminister, der Migration als Mutter aller Probleme bezeichnet, all diese Vorkommnisse der vergangenen Wochen seien Anzeichen dafür, "dass der Rechtsstaat in Deutschland in Teilen gescheitert ist und davor ist, weiter gravierend zu scheitern." Das Land sei nicht von blau-braunen Unruhestiftern gespalten worden, sondern mittlerweile von der Regierung selbst, schreibt er. Das sei unverantwortlich.

Wir sind nicht alle gleich

Abdollahi erzählt davon, wie er mit seinen Eltern vom Iran nach Deutschland kam. Nicht weil sie gewollt hätten, sondern weil sie vor "Saddams Bomben" flüchten mussten. Er erzählt davon, dass sie im Asylbewerber*innenheim leben mussten, Klos putzen und Taxi fahren mussten, um über die Runden zu kommen. Sie seien gekommen, weil ihre Heimat zerstört wurde und sie keine andere Wahl hatten, als diese zu verlassen. Er erzählt davon, dass sie, obwohl sie mittlerweile in dritter Generation integriert sind, Steuern zahlen und Teil der Gesellschaft geworden sind, immer noch von ihnen erwartet wird, dankbar sein zu müssen. Seehofer habe klargestellt, dass sie nie Teil einer deutschen Gesellschaft sein könnten. "Ich verstehe nicht, wie sie meine Steuern akzeptieren können, aber nicht meine Persönlichkeit, meinen Glauben und meine Hautfarbe."

Ich kann wirklich nichts dafür, dass sich einige Migranten in Deutschland nicht benehmen."

Abdollahi kritisiert, dass die Eliten des Landes alle Migrant*innen in einen Topf werfen würden. Dass das am Stammtisch oder auf Facebook passiert, sei zwar nachvollziehbar, aber eben nicht, wenn es aus dem Mund eines Bundesministers komme. Ein Bundesinnenminister sollte doch verstehen, dass "wir nicht alle Islamisten sind, weil ein paar Verbrecher unseren Ruf in den Dreck ziehen", schreibt er weiter. Und dass er bei jeder Meldung darum bete, dass die Tat von keinem Ausländer begangen wurde, damit sich der Hass nicht wieder gegen Migrant*innen richtet.

Er schließt den Brief mit einem Appell an Bundeskanzlerin Merkel: "Seien sie auch meine Bundeskanzlerin, die Bundeskanzlerin aller Migranten in Deutschland, aller Menschen, die diesen Hass nicht wollen. Lassen Sie es nicht zu, dass sich die Geschichte wiederholt. Wenn nicht jetzt gehandelt wird, ist es vielleicht zu spät. Bitte hören Sie unsere Rufe".

Abschließend setzt er vor seinen Namen noch den Hashtag #WirSindMehr, der sich im Zuge der Gegenbewegung der rassistischen Ausschreitungen im Chemnitz gebildet hat und den Satz: "Ich möchte nicht ein zweites Mal meine Heimat verlieren."

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