Es ist schwer zuzugeben, aber jetzt muss es raus: Hallo, ich bin Elena und ich diskriminiere Menschen, die alt, beleibt oder of Color sind. All das würde ich normalerweise abstreiten. Mein Bewusstsein möchte nämlich liberal vorurteilsfrei sein und arbeitet jeden Tag aufs Neue an diesem Selbstbild.

Was das Bewusstsein will, entspricht aber nicht unbedingt dem, was in unserem Unterbewusstsein vor sich geht. Das zeigt ein Test, der uns sagt, wie voreingenommen wir in Wirklichkeit auf andere Menschen schauen.

Der Implicit Association Test (IAT) der Harvard University deckt Gedanken und Gefühle auf, die du selbst gar nicht zugeben möchtest oder kannst. Denn er umgeht deine wohlgeformte Meinung und schaut auf die automatischen Assoziationen, mit denen du deine Umwelt bewertest.

Wie der Test funktioniert? Anhand zweier Tasten sortierst du Worte und Bilder in Kategorien wie junge Menschen, alte Menschen oder gut und schlecht. Ein Bild von einer ergrauten Frau gehört zu alte Menschen, das Wort happy gehört zu gut. Einmal teilen sich junge Menschen und gut beziehungsweise alte Menschen und schlecht eine Kategorisierungstaste, einmal ist es anders herum.

Wenn du bei einer bestimmten Kombination schneller reagierst und sortierst, liegt das an der stärkeren Assoziation in deiner Gedankenwelt. Kategorisierst du also schneller, wenn junge Menschen und gut sich eine Taste teilen, bevorzugst du junge Menschen. Das zumindest nehmen die Initiatoren des Project Implicit an.

Lust, es selbst auszuprobieren? Hier geht's zum Implicit Association Test.

Wie wirken sich (un)bewusste Vorurteile auf unser Verhalten aus?

Natürlich hat jeder Mensch positive und negative Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen. Das Schubladensystem in unserem Kopf erleichtert es uns, unsere Umwelt einzuschätzen und schnelle Entscheidungen zu treffen. In manchen Situationen, etwa wenn ein Mensch mit einem Messer auf uns zu kommt, hilft ein schnelles Vorurteil: Es sagt uns, dass wir schleunigst das Weite suchen sollten. Klar wäre es edel, unvoreingenommen stehenzubleiben um herauszufinden, welches Anliegen diese Person tatsächlich hat. Aber wer möchte es schon drauf ankommen lassen?

Neben solchen Extrembeispielen gibt es auch subtilere Vorurteile, die unser Verhalten täglich beeinflussen. Wir alle kennen die Geschichten von Menschen mit türkischen Vornamen, die bei Jobbewerbungen benachteiligt werden. Oder von Türsteher*innen, die Personen mit südländischem Aussehen nicht in den Club lassen. Doch das sind ja nur die anderen, oder? Wie sehr sind wir selbst von unseren latenten Vorurteilen beeinflusst?

Fakt ist: Unsere Einstellungen steuern unsere Handlungen. Das belegte eine psychologische Studie aus dem Jahr 2002, die zeigte, dass vor allem starke Einstellungen das Verhalten lenken. So etwa die "starke Präferenz von jungen gegenüber alten Menschen", die mir vom IAT attestiert wurde.

Verhalte ich mich älteren Menschen gegenüber also voreingenommen? Würde ich ihnen als Recruiterin seltener einen Job anbieten, sie als Polizistin oder Ärztin weniger ernst nehmen oder ihnen als Versicherungsberaterin schlechtere Angebote machen?

Bevor es so weit kommt, wird mein Bewusstsein wohl noch ein Veto einlegen. Diese Vermutung bestätigt auch eine Meta-Analyse aus 2009, die zahlreiche Studien über Vorurteile verglichen hat. Das Ergebnis: Unbewusste Vorurteile haben keinen größeren Einfluss auf das Verhalten als bewusste Einstellungen. Der tatsächliche Nutzen des IAT, um Diskriminierung zu bekämpfen, steht daher in der Kritik.

Die eigenen Vorurteile vor Augen führen

Die Frage ist hier jedoch nicht, ob nun unbewusste oder bewusste Vorurteile die Ursache von Diskriminierung sind, sondern, ob und wie man sie überhaupt trennen kann. Bisher hat die Wissenschaft dafür noch keine Methode zur Unterscheidung parat. Zu komplex und wechselseitig wirken die Faktoren in diesem Bereich der menschlichen Psyche.

Ob unbewusst oder nicht – in jedem Fall hilft es, ungewollte Diskriminierung zu vermeiden, indem man sich die eigenen Vorurteile vor Augen führt. Der IAT gibt dafür wertvolle Denkanstöße und motiviert, das eigene Verhalten genauer zu hinterfragen.

Eines hat mich doch aufatmen lassen und mein Selbstbild vor der Krise bewahrt: Laut IAT habe ich eine sehr positive Meinung von arabischen Muslim*innen sowie von Menschen mit Behinderung. Außerdem mache ich keinen Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Personen. Das ist das erfreulichste Ergebnis für mein liberal vorurteilsfreies Bewusstsein. Denn wahre Gleichberechtigung liegt darin, weder die vermeintlich besser gestellte noch benachteiligte Gruppe zu bevorzugen.